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Laura Kleber: "Das geht total fix"

Laura Kleber: "Das geht total fix"
Photo: © Guillaume Prugniel

Der überwiegende Großteil der CO₂-Emissionen von Kulturveranstaltungen wird durch die An- und Abreise des Publikums verursacht. Wie lässt sich das am einfachsten ermitteln und was braucht es dafür? Laura Kleber und Julian Vogels von Crowd Impact haben dafür eine App fürs iPad entwickelt, die standardisierte und simple Abfragemöglichkeit von Mobilitätsdaten ermöglicht – und sind dafür von der Bundesregierung als Kultur- und Kreativpilot*innen ausgezeichnet worden. Wie funktioniert das Ganze? 

 

INTERVIEW  Boris Messing    

 

CCB Magazin: Hallo Laura, ihr habt eine App fürs iPad entwickelt, die die Mobilitäts-Emissionen von Publikumsanreisen erfasst. Der größte CO₂-Emittent bei einer Veranstaltung ist die Mobilität, also die An- und Abreise des Publikums, was im Schnitt 80 bis 90 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen eines Events ausmachen. An wen richtet sich eure App, an Veranstaltende oder ans Publikum?    

Laura Kleber: Die App richtet sich an Veranstaltende jeder Art. Sagen wir zum Beispiel an eine Band, die ihre Sommertour bilanzieren möchte. Mit der App kann sie die Emissionshöhe und das Anreiseverhalten des Publikums feststellen, um daraus Rückschlüsse für die Planung ihrer nächsten Tour ziehen zu können. Dafür braucht es nur ein mobiles Team, das die App bedient und das Publikum beispielsweise am Einlass zu ihrer Anreise befragt – zu gewähltem Verkehrsmittel und zurückgelegter Strecke. Das wäre so ein klassischer Fall. Unsere App kann aber auch von Museen, Opernhäusern, Theatern oder anderen Kulturorten sowie Sportveranstaltungen und Konferenzen genutzt werden. Also im Grunde von allen, die ein gewisses Besuchendenaufkommen haben und die Daten für ihre Klimabilanz benötigen.

CCB Magazin:Wie lange dauert so eine Umfrage vor Ort? Ist das umständlich?

Laura Kleber:Das geht total fix. Man muss nicht jede einzelne Person befragen, sondern macht eine repräsentative Stichprobe, die Zahlen werden dann hochgerechnet. So eine Umfrage dauert pro Teilnehmenden nicht länger als eine Minute.

Für Veranstaltende ist es erstmal wichtig zu wissen, wer wie anreist und wieviel Emissionen das verursacht, damit sie das in ihre Klimabilanz eintragen können. Dann sieht man, wo man den größten Hebel hat, um etwas zu verändern

CCB Magazin:Und wie groß muss die Stichprobe sein, damit sich die Anreise-Emissionen auf das gesamte Publikum hochrechnen lassen?

Laura Kleber:Als Beispiel: Bei 10.000 Besuchenden eines Events wären das an die 370 Leute. Die App ist so gestaltet, dass sie dir genau anzeigt, wie viele Menschen du befragen musst, damit man repräsentative Daten herausbekommt. Das haben wir durch eine einfache visuelle Darstellung gelöst. Zusätzlich muss man Dinge wie Saisonalität und bei verschiedenen Veranstaltungsformaten und -eingängen auch unterschiedliche Demografien beachten. 

CCB Magazin:Ihr habt eure App fürs iPad entwickelt. Warum nur fürs iPad? 

Laura Kleber:Weil es sich so einfacher bedienen lässt und weil wir in diesem Bereich Expertise haben, sprich die App selbst entwickeln konnten. Die grafischen Buttons sind auf einem großen Screen gut zu sehen und das Publikum hat mehr Spaß an einer größeren Ansicht und wird dadurch zum Mitmachen animiert. Das hat also schlichtweg pragmatische und ästhetische Gründe. Wenn alles gut läuft, steht einer Entwicklung für andere Tablets nichts entgegen. An einer webbasierten Version arbeiten wir gerade. Wer kein iPad zur Verfügung hat, dem empfehlen wir für die Befragung eines zu mieten – man benötigt es ja nur einige Tage im Jahr.

Und so sieht das dann aus...

CCB Magazin:Wie kamt ihr überhaupt auf die Idee mit Crowd Impact? Wie lange hat es gedauert, das Tool/die App zu entwickeln? 

Laura Kleber:Julian und ich kennen uns seit 2021, wir sind beide ehrenamtlich bei Music Declares Emergency aktiv, einer Initiative, die sich für Nachhaltigkeit in der Musikbranche einsetzt. Julian ist auch Nachhaltigkeitsberater und hat schon viel Erfahrungen mit Klimabilanzen von Kulturbetrieben gesammelt. Beim Thema Mobilität war aber bisher immer das Problem, dass die Daten nur geschätzt werden konnten oder die Leute mit Zettel und Stift versuchten, sie zu erfassen und in Excel zu berechnen. Das war ziemlich aufwendig, und so kamen wir irgendwann auf die Idee mit Crowd Impact. Wir wollten die Sache vereinfachen und vereinheitlichen. Im Sommer 2022 haben wir dann die Umsetzung angepackt und ein halbes Jahr später dann offiziell gegründet. Seit letztem Sommer arbeiten wir Vollzeit an unserem Projekt - auch dank der ProNTI-Förderung der Investitionsbank Berlin-Brandenburg (IBB). 

CCB Magazin:Kannst du mal genauer erklären, wie ihr die App kreiert habt? Welche zentralen Parameter habt ihr im Hinblick auf die Publikumsanreise identifizieren können? Wie habt ihr die Emissionsanalyse in eurem Tool vereinheitlicht?

Laura Kleber:Im Grunde geht es bei der Abfrage immer darum: Wo bist du hergekommen und mit welchem Verkehrsmittel, wo bist du gegebenenfalls umgestiegen. Im Falle von der Anreise mit Autos stellt sich zudem noch die Frage der Fahrzeuggröße, mit welchem Kraftstoff gefahren wurde und wie viele Mitfahrende im Auto saßen. 

Automatisierte Vorschläge für Maßnahmen zur Emissionseinsparung bietet die App aktuell noch nicht. Wir überlegen aber, so ein Feature zukünftig zu integrieren. Viele Tipps für nachhaltige Mobilitätskonzepte finden sich bis dahin auf unserer Website

CCB Magazin:Und damit werden die exakten Emissionen eruiert? 

Laura Kleber:So exakt wie möglich. Das funktioniert so: Es gibt für den Standort Deutschland das Umweltbundesamt, das Emissionsfaktoren für verschiedene Mobilitätsnutzungen herausgibt, die ständig aktualisiert werden. Die zurückgelegte Strecke mal diesem Emissionsfaktor ergibt die entstandenen CO2-Äquivalente. Da gibt es pro Verkehrsmittel immer einen bestimmten Faktor, einen Durchschnittswert, mit dem die Emissionen eines bestimmten Verkehrsmittels abgebildet werden. Feine Unterschiede, mit welcher Automarke gefahren wurde etc., werden da nicht gemacht – das wäre für die Umfrage nicht praktikabel, zudem Faktoren wie Fahrweise und Verkehrsaufkommen sowieso einen größeren Einfluss haben als die Automarke. Unser langfristiger Plan ist, dass wir irgendwann von verschiedenen Veranstaltungsformaten wie Museen, Festivals oder Konzerten die gesammelten Daten nutzen können, um Standortbewertungen durchzuführen. Also eine Bewertung des Standorts hinsichtlich der An- und Abreise des Publikums, sodass man bereits vor Veranstaltungsstart weiß, mit welchen individuellen Maßnahmen man eine nachhaltigere Anreise incentivieren kann.

CCB Magazin:Was passiert im Anschluss, wenn man mit eurer App die Mobilitätsdaten eines Events erfasst hat? Bietet die App auch Vorschläge, durch welche Maßnahmen sich Emissionen vermeiden lassen? 

Laura Kleber:Erstmal ist es für Veranstaltende wichtig zu wissen, wer reist wie an und wieviel Emissionen verursacht das, damit die das in ihre Klimabilanz eintragen können. Außerdem sieht man, wo man den größten Hebel hat, um etwas zu verändern. Wenn ich als Festival zum Beispiel sehe, dass ich einerseits viele Anreisende mit dem Auto habe, und sehe, dass sehr viele Besuchende aus Berlin kommen, kann eine Shuttlebusverbindung nächstes Jahr viele Emissionen einsparen. Das und die Kommunikation mit dem Publikum ist hier eine zentrale Möglichkeit. Ein anderer wichtiger Hebel ist beispielsweise die Zusammenarbeit mit Kommunen, um ein besseres Mobilitätkonzept zu erarbeiten. Automatisierte Vorschläge für Maßnahmen bietet die App aktuell noch nicht. Wir überlegen aber, so ein Feature zukünftig zu integrieren. Viele Tipps für nachhaltige Mobilitätskonzepte finden sich bis dahin auf unserer Website.

CCB Magazin:Crowd Impact funktioniert als Abo-Modell. Was gibt es hier für Optionen?

Laura Kleber:Wir verdienen unser Geld über eine jährliche Abogebühr, die sich je nach Publikumsaufkommen staffelt – angefangen bei gut 250 Euro bei 10.000 Besuchenden bis hin zu 671 Euro netto bei über 150.000 Besuchenden. Wir wollten einen fairen Preis machen und kleine Veranstaltende nicht benachteiligen, bei größerem Publikum kostet die Nutzung der App darum mehr. Für Vereine und gemeinnützige Organisationen geben wir einen Rabatt von dreißig Prozent.

CCB Magazin:Wo und wie wird die App bereits benutzt? Kannst du ein paar Zahlen oder Namen nennen? Habt ihr bereits eine bekannte Band an Bord?

Laura Kleber:Wir sind tatsächlich erst seit November letzten Jahres „offiziell“ gelauncht, seitdem wird die App vor allem in Konzerthäusern und Clubs eingesetzt. Davor haben wir mit der Beta-Version viele Durchläufe gemacht, zum Beispiel mit der re:publica, der Breminale, dem SNTTG Festival, dem Superbloom, Splash und Feel Festival. Zusammen mit The Changency haben wir außerdem im Projekt „Ticket To Ride“ die Sommertour von AnnenMayKantereit bilanziert. 

CCB Magazin:Ihr habt gerade für eure Arbeit als Kultur- und Kreativpilot*innen ausgezeichnet worden. Wie geht‘s mit euch weiter?

Laura Kleber:Es ist super cool, dass wir nun bundesweite Aufmerksamkeit bekommen. Das gibt einem nochmal ein ganz anderes Standing. Außerdem haben wir vom u-Institut, die das Programm organisieren und durchführen, ein einjähriges Mentoring geschenkt bekommen. Die begleiten uns also ein ganzes Jahr und unterstützen uns. Zudem stehen wir in engem Austausch mit den anderen Titelträger*innen, die als Gründer*innen vor ähnlichen Herausforderungen stehen wie wir. Diese Vernetzung erlebe ich als extrem wertvoll und hilfreich.

Category: Innovation & Vision

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