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Anton Orlovius: "Seegras ist sehr langlebig"

Anton Orlovius: "Seegras ist sehr langlebig"
Foto: © Anton Orlovius

Anton Orlovius ist Industriedesigner und mit seinem Strandgut-Projekt für den Green Concept Award nominiert worden. Strandgut ist ein aus Seegras gefertigter Stoff, der verschiedentlich anwendbar ist. Das Abfallmaterial aus der Ostsee ist biologisch abbaubar und in den natürlichen Kreislauf rückführbar. Was lässt sich daraus machen? Und wie wichtig ist es für die Industrie?
 

INTERVIEW  Boris Messing    

 

CCB Magazin: Hallo Anton. Du bist mit deinem Strandgut-Projekt in die Auswahl für den Green Concept Award gekommen. Hat dich das überrascht?

Anton Orlovius: Ich habe mich in letzter Zeit bei vielen Designwettbewerben beworben. Die Rückmeldungen waren bisher immer gut - leider ist dabei noch kein Preis rumgekommen. Aber das kann ja noch werden. Ich bin gespannt.

CCB Magazin:Strandgut ist ein aus Seegras gefertigter Stoff, der sich vielseitig verwenden lässt. Das Material beinhaltet keine ölbasierten Materialien und ist in den natürlichen Kreislauf rückführbar. Wie kamst du ausgerechnet auf Seegras?

Anton Orlovius:Strandgut ist mein Bachelor-Abschlussprojekt gewesen. Ich wollte mich mit alternativen natürlichen Materialen befassen. Ich habe einfach drauflos recherchiert und bin so auf Seegras im Mittelmeer gestoßen. Dort gibt es kleine Seegrasbälle, die, wenn sie absterben, durch die Strömung an Land gespült werden. Ein deutsches Unternehmen macht daraus Wärmedämmung für Häuser. Die habe ich angeschrieben und wollte Probestücke von ihnen haben, worauf sie sich leider nicht eingelassen haben, weil sie Bedenken hatten, dass daraus etwas Größeres werden könnte. Dann habe ich überlegt. Ich komme ja aus Hamburg, ich kenne das Seegras aus der Ostsee, und es macht ja auch viel mehr Sinn, regionale Ressourcen zu verwenden, um kürzere Transportwege zu haben. Mit diesem Seegras habe ich dann meine ersten Versuche gestartet.

Theoretisch ist mein Produkt komplett in die Natur rückführbar. Allerdings braucht Seegras recht lange, bis es verrottet, was wiederum für die Langlebigkeit der daraus entstandenen Produkte spricht

CCB Magazin:Welche Produkte stellst du damit her? Oder anders gefragt: Was lässt sich alles damit machen?

Anton Orlovius:Ich habe daraus einen textilen Stoff aus Seegras hergestellt, der mit Baumwollgarn vernäht wird. Damit lässt sich alles herstellen, was aus einem normalen Stoff gewonnen werden kann, zum Beispiel Kissenbezüge, Gardinen, Strandtaschen oder Ähnliches. An sich kann man es wie jeden Textilstoff verarbeiten. Was ich zukünftig plane, ist ein Formmaterial aus Seegras herzustellen, das nicht vernäht ist, sondern mit naturbelassenem Kleber verklebt wird. Daraus könnte man dann noch viel mehr machen, zum Beispiel Lampenschirme, Picknick-Geschirr, Armaturen, Möbel, also eigentlich alles mögliche.

CCB Magazin:Wie bist du bei der Entwicklung vorgegangen?

Anton Orlovius:Ich habe zuerst versucht, das Seegras mit Harz zu verkleben und dann aushärten zu lassen, was aber mit den mir zur Verfügung stehenden Maschinen nicht so gut geklappt hat. Schließlich habe ich es mit Nähen versucht, inspiriert durch Malerdecken, und ein spezielles Nähverfahren, das ich allerdings an dieser Stelle nicht verraten möchte. Anschließend saß ich in der Uni und habe das Zeug meterweise per Hand zusammengenäht.

CCB Magazin:Wer beliefert dich mit deinem Ausgangsmaterial? Kann man das Seegras in verschiedenen Feinheitsgraden bearbeiten?

Anton Orlovius:Seegras gibt es an Ost- und Nordsee. Ich bin am Ende auf eine dänische Insel namens Laeso gestoßen, die vor ca. 300 Jahren wegen Ressourcenknappheit das Seegras als Ersatz für Reetdächer genutzt haben. Die Häuser stehen auch heute noch dort und sehen sehr lustig aus. Seegras hat gute Eigenschaften: es verrottet nicht so schnell, brennt nicht und isoliert gut. Darüber bin ich dann auf den Seegrashandel gestoßen, auf ein kleines Unternehmen in der Nähe von Hamburg, die das Seegras unbearbeitet als Wärmedämmung nutzen. Die haben mir netterweise eine Kiste mit Seegras mit unterschiedlichen Holmgrößen zur Verfügung gestellt – womit man unterschiedliche Texturen gewinnen kann. Die Textur hängt natürlich auch noch mit dem Nähmuster zusammen.



Oben und Mitte: Kissenbezug und Strandtasche aus Seegras. Unten: Das Ausgangsmaterial. Fotos: Anton Orlovius

CCB Magazin:Strandgut ist biologisch abbaubar und folgt dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. Was heißt das konkret? Wird die Handtasche aus Seegras zurück ins Meer geworfen, wenn sie nicht mehr brauchbar ist?

Anton Orlovius:Theoretisch ist mein Produkt komplett in die Natur rückführbar. Allerdings braucht Seegras recht lange, bis es verrottet, was wiederum für die Langlebigkeit der daraus entstandenen Produkte spricht. Das Seegras verrottet in der Natur erst nach mehreren Jahren, was ich jedoch nicht mit genauen Zahlen belegen kann.

Mit Seegras lässt sich alles herstellen, was aus einem normalen Stoff gewonnen werden kann. Was ich zukünftig plane, ist ein Formmaterial aus Seegras herzustellen, das nicht vernäht ist, sondern mit naturbelassenem Kleber verklebt wird. Daraus könnte man dann noch viel mehr machen

CCB Magazin:Was hat die Industrie davon, bzw. wie kann es industriell genutzt werden? Warum sind nicht schon andere davor auf deine Idee gekommen?

Anton Orlovius:Wenn man mein Seegras-Textil in Deutschland herstellen würde, wäre das sehr teuer, das ist bislang das Problem. Man könnte es natürlich in Bangladesch herstellen lassen, aber es soll ja ein regionales Produkt mit einem geringen Co2 Fußabdruck werden. Für die Zukunft denke ich aber, dass man es für die hiesige Industrie nutzen kann.

CCB Magazin:Hast du eine Mission, überlegst du dein Projekt hoch zu skalieren?

Anton Orlovius:Das ist mein Traum. Ich muss aber noch Wege finden, wie man es maschinell herstellen kann und Tests dazu durchführen, wie schnell sich das Material abnutzt, abreibt, wie viel es wiegt etc. Das kostet alles Zeit. Und deshalb nehme ich auch bei den Designwettbewerben teil, um Partner, Förderer oder Investoren zu finden, die mich auf meinem Weg unterstützen.

CCB Magazin:Anton, was hast du als Nächstes vor?

Anton Orlovius:Ich habe mich für einen Master beworben, um mein Projekt weiterführen und weitere Herstellungsmethoden zu erproben. Ich hoffe, das klappt.

Rubrik: Innovation & Vision

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