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Matthias Strobel: „Vernetzung endet nicht an nationalen Grenzen“

Matthias Strobel: „Vernetzung endet nicht an nationalen Grenzen“
Foto: © Karan Talwar

Wie gründe ich einen Verband? In Teil 8 unserer Rechtsformen-Reihe „Wie bist du in Form?" sprechen wir darüber mit Matthias Strobel. Strobel hat vor fünf Jahren den Verband MusicTech Germany ins Leben gerufen, jetzt hat er mit dem Verband Music Tech Europe einen draufgesetzt. Auf was kommt es bei einer Verbandsgründung an? Welchen Mehrwert bietet ein Verband und welche Fehler gilt es zu vermeiden?
 

InterviewJens THOMAS

 

CCB Magazin:Matthias, du hast gerade deinen zweiten Verband gegründet. Ist es mittlerweile eine Art Hobby von dir geworden, Verbände für die Musikkultur ins Leben zu rufen?   

Matthias Strobel:Ein Hobby ist es nicht, vielmehr mit viel Leidenschaft verbunden. Ich sehe einfach die Notwendigkeit solcher Netzwerke.

CCB Magazin:Um was geht es bei deinem neuen Verband? Warum braucht es den?   

Matthias Strobel:Wir wollen Akteure des Musikökosystems, die sich mit Innovationen für diesen Sektor der Kreativwirtschaft beschäftigen, miteinander vernetzen und nach vorne bringen. Dazu bündeln wir derzeit zehn Verbände aus zehn Ländern – darunter wir mit Music Tech Germany, Music Tech France aus Frankreich, Music Innovation Hub aus Italien oder Music Finnland. Wir sind kein Lobbyverband, mehr ein Dachverband. Unser Ziel ist es, den Wissensaustausch und die internationale Vernetzung zu den Themen Innovation und Digitalisierung für die Musikwirtschaft voranzutreiben, die es auf europäischer Ebene braucht. 

CCB Magazin:Um welche Themen geht es da im Detail?   

Matthias Strobel:Es geht um Themen der Regulierung für neue Technologien, um Fördermittel und Finanzierungswege für Startups oder Kooperationen zwischen Technologieanbietern und Musikunternehmen. Die Entscheidungen dazu machen ja nicht an den staatlichen Grenzen Halt. Darum wollen wir Brücken schlagen zwischen allen beteiligten Akteuren des Musikökosystems, denn hier gibt es den größten Bedarf. So entwickeln wir derzeit zum Beispiel ein Mapping für KI-Tools für die Live-Musikbranche. Ziel ist es, Informationen verfügbar zu machen, um das Feld nicht den großen Technologieunternehmen zu überlassen, sondern diejenigen zu stärken, die aus der Branche heraus für den Musiksektor arbeiten.

Bei unserem Verband Music Tech Europe geht es darum, die Innovationskraft der technologiegetriebenen Musikbranche zu stärken. Dabei stehen vor allem Themen wie Regulierung für neue Technologien, Fördermittel und Finanzierungswege für Startups oder Kooperationen zwischen Technologieanbietern und Musikunternehmen im Vordergrund

CCB Magazin:Ein Verband ist rechtlich ein Verein. Warum hast du/habt ihr keinen Verein gegründet?

Matthias Strobel:Rein rechtlich ist ein Verband in Deutschland ein Verein, das stimmt. So gesehen gibt es keinen Unterschied. Bei Music Tech Europe steht aber vor allem der Vernetzungsgedanke im Vordergrund, da es uns in erster Linie um die Vertretung gemeinsamer Interessen nach außen geht – darum treten wir als Verband auf. Ein Verein oder Verband benötigt zudem kein Startkapital – ganz im Gegensatz zu einer GmbH, wo es mindestens 25.000 Euro braucht. Auch muss man zur Gründung eines Vereins in Deutschland mindestens sieben Gründungsmitglieder haben. Wir haben den Verband allerdings in Estland gegründet, weil man hier nur zwei Gründungsmitglieder benötigt.

CCB Magazin:Ist das nicht kompliziert, von Deutschland aus im Ausland einen Verband zu gründen?  

Matthias Strobel:Nein überhaupt nicht. In Estland lässt sich alles extrem komfortabel und schnell digital abwickeln. In Deutschland dagegen ist bei der Gründung eines europäischen Verbands das sogenannte Apostillen-Verfahren erforderlich. Hierfür muss die Bestätigung der Echtheit der Unterschrift und die Befugnis des Ausstellers einer Urkunde aus einem anderen Land nachgewiesen werden. Eine Apostille kostet vorneweg gleich mal zwischen 1.000 und 1.500 Euro. Wir hätten also nur für den Eintrag ins Register bis zu 10.000 Euro zahlen müssen. In Estland ist das einfacher. Hier braucht es nicht nur zwei Gründungsmitglieder. Wir konnten uns als Privatpersonen auch gleich wieder am Tage der Gründung aus dem Register rausnehmen lassen und dafür die jeweilig beteiligten Organisationen, die wir vertreten, eintragen. Das heißt, wir stehen jetzt nicht als Privatpersonen im Register, sondern mit unseren Organisationen.

CCB Magazin:Ihr seid insgesamt zehn Gründungsmitglieder. Welche habt ihr mit welchem Ziel ausgewählt und zusammengeführt?

Matthias Strobel:Im Verband sind die wichtigsten Entscheidungsträger aus den zentralen europäischen Ländern, darunter welche aus Deutschland, Italien, Frankreich, England, Finnland oder Spanien. Da wir sowieso schon im Austausch miteinander waren, hatten wir alle Akteure schnell zusammen. Uns allen war klar, dass es einen solchen Verband braucht.

Ein Verein oder Verband benötigt kein Startkapital – ganz im Gegensatz zu einer GmbH, wo es mindestens 25.000 Euro braucht. Auch muss man zur Gründung eines Vereins in Deutschland mindestens sieben Gründungsmitglieder haben. Wir haben unseren Verband darum in Estland gegründet, weil man hier nur zwei Gründungsmitglieder benötigt

CCB Magazin:Ein Verband braucht auch einen Vorstand. Wer ist das bei euch und welche Rolle hat er?

Matthias Strobel:Wir sind insgesamt vier Vorstände, dazu gehöre ich, jemand aus Finnland, Italien und Spanien. Wir alle vertreten den Verband nach außen inhaltlich und rechtlich. Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung gewählt, die ihn zugleich abwählen kann. Zudem verhält es sich bei einem Verband nicht so wie in einer GmbH, dass diejenigen am meisten Stimmen haben, die am meisten Kapital in Anteile einbringen.

CCB Magazin:Wie laufen bei euch die Entscheidungsprozesse ab? Wer macht was? Und wer entscheidet zum Schluss, was gemacht wird?

Matthias Strobel:Das funktioniert bei uns nach dem Mehrheitsprinzip. Wir haben dazu einmal im Monat ein Online-Meeting, wo die wichtigsten Themen auf den Tisch kommen – über eine Zwei-Drittel-Mehrheit wird dann entschieden, was gemacht wird. Zudem haben wir eine WhatsApp-Gruppe, über die wir uns regelmäßig austauschen und worüber wir kleinere Entscheidungen treffen. So kuratieren wir derzeit zum Beispiel eine Menge Konferenzen. Auch planen wir gerade weitere Arbeitsgruppen zu einzelnen Themenbereichen, um nicht alles mit allen entscheiden zu müssen.

CCB Magazin:Wie finanziert ihr euch?

Matthias Strobel:Wir nehmen Mitgliederbeiträge ein, das sind bislang rund 500 Euro von insgesamt zehn Verbänden pro Jahr. Darüber können wir erstmal die administrativen Kosten und das Nötigste abdecken. Zudem akquirieren wir Projektmittel, und als nächsten Schritt wollen wir uns auf europäische Fördertöpfe bewerben. Dazu gibt es einen speziellen Fördertopf für Europa-Verbände. Darunter sind Verbände, die bereits seit 1997 gefördert werden. Man muss dazu allerdings einen 170-seitigen Antrag schreiben, du kannst dir also vorstellen, was das bedeutet. Und ob man die Förderung bekommt, weiß man nicht. Die Förderung würde dann für drei Jahre reichen. Wir hoffen, den Antrag bald fertig zu stellen und damit eine langfristige Planungssicherheit zu haben.

CCB Magazin:Ihr macht das alles, so höre ich raus, nebenbei. Wie bekommt ihr das mit euren sonstigen Jobs unter einen Hut?  

Matthias Strobel:Das ist und kann tatsächlich viel Arbeit sein. Bislang geht es allerdings, wenn es aber noch mehr Mitglieder werden und die Aufgaben wachsen, kommen wir an Grenzen. Es gibt Verbände, die haben dazu hauptberufliche Vorstände und schaffen sich reguläre Stellen, um sich den ganzen Bürokratiekram vom Hals zu halten. So weit sind wir noch nicht. Wir alle haben derzeit alle ganz normale Jobs nebenbei, alle im Bereich MusicTech. Ich zum Beispiel betreibe mit meinem Kollegen Dennis Kastrup die Booking-Agentur Wicked-Artists und organisiere die Veranstaltungsreihe Music Tech Meetups. Zudem stelle ich aktuell eine neue Musik-Konferenz in Berlin auf die Beine, die am 05./06. September im Pfefferberg unter dem Namen NEW VISIONS stattfinden wird. Die anderen machen andere Dinge. Ein Mitglied aus Finnland vertritt beispielsweise das Export-Office in Finnland hauptberuflich und wird dafür angemessen bezahlt. Am Ende profitieren wir alle von dem Verband und der Verband von uns – wir tragen unser Wissen in den Verband, zugleich lernen wir voneinander.

CCB Magazin:Wenn du anderen einen Tipp geben würdest: Für wen im Kulturbereich eignet sich ein solcher Verband, für wen nicht?

Matthias Strobel:Ein Verband eignet sich immer dann, wenn man eine Lücke entdeckt und es einen entsprechenden Bedarf gibt. Man sollte allerdings nicht bei Null anfangen. Hat man noch kein Netzwerk, würde ich von einer Gründung erst mal abraten. Baut euch lieber erst mal ein Netzwerk auf und klärt die Fragen dazu, was es alles braucht.

CCB Magazin:Zum Schluss: Welchen Fehler gilt es bei der Gründung zu vermeiden?

Matthias Strobel:Tretet nicht in Konkurrenz zueinander. Führt Dinge zusammen, nutzt Synergien und schafft neue. Und vor allem: Wartet nicht zu lange. Hat man schon ein Netzwerk und die entsprechende Unterstützung dazu, fangt einfach an. Fragt euch aber immer, welchen Mehrwert der Verband sowohl nach außen als auch nach innen für die Mitglieder hat. 

Rubrik: Specials

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