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Alle Farben

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Foto: © Birke Weber

Synthetische Farben können schädlich für Mensch und Umwelt sein und brauchen zumeist Erdöl für ihre Herstellung. Die Designerin Birke Weber und Biochemikerin Friederike Hoberg wollen das ändern - und die Textilindustrie ein Stück weit kreislauffähiger machen. Mit ihrem Forschungsprojekt MycoColors stellen sie natürliche Farben aus Pilzen her, unschädlich und aus im Labor züchtbaren Rohstoffen. Wie funktioniert das? Und wo lassen sich ihre Farben anwenden? Darüber sprachen wir mit den beiden. 

 

INTERVIEW  Boris Messing    

 

CCB Magazin: Hallo Birke und Friederike. Gemeinsam erforscht ihr das Potential von Farbstoffen aus Pilzen. Wie kamt ihr auf diese Idee? Und wie habt ihr zusammengefunden?   

Friederike Hoberg: Wir haben uns 2021 im Rahmen einer Ausstellung, „Tiny be – Leben auf kleinem Raum“, kennengelernt, für die wir mit dem MY-CO-X Kollektiv ein Haus aus Pilzen gebaut haben. Das war eine bunte Gruppe aus Architekt*innen, Biotechnolog*innen, Designer*innen und Künstler*innen. Birke kam auf die Idee, das Interieur des Hauses mittels Pilzfruchtkörpern zu färben, was ganz gut geklappt hat. Ein dreiviertel Jahr später haben wir uns dann entschieden, weiter an der Färbung mit Hilfe von Pilzen zu forschen. Wir bewarben uns auf ein Stipendium und fingen einfach an. Unsere Ausgangsfrage war: Wie können wir Design und Biotechnologie zusammenbringen?

Birke Weber: Wir fingen mit den Fruchtkörpern der Pilze an, die wir in den Brandenburger Wäldern gesucht haben. Dabei kamen großartige Farben heraus. Aber die Frage war dann: Wie könnte man das in einem größeren Rahmen nutzbar machen? Das ist mit den Fruchtkörpern von Ständerpilzen leider nicht so einfach, weil diese Pilze in einem komplexen symbiotischen System leben, welches man nicht immer im Labor replizieren kann. Aus diesem Grund war unsere Idee auf Pilze, die sich im Labor kultivieren lassen, und deren Myzel zurückzugreifen.

CCB Magazin:Mit eurem Projekt MycoColors zielt ihr auf eine nachhaltige Farbproduktion ab. Was ist denn an der synthetischen Herstellung von Farbe so problematisch? Wie wird Farbe überhaupt hergestellt?

Friederike Hoberg:Man muss zuerst einmal zwischen organischen Farben und anorganischen Pigmenten unterscheiden. Anorganische Pigmente werden beispielsweise als Wandfarben oder Autolacke benutzt, sie sind nicht wasserlöslich. Wasserlösliche Farben dagegen sind aus chemischer Sicht organische Farben, die synthetisch hauptsächlich aus Erdölprodukten hergestellt werden. Es gibt dabei verschiedene Farbstoffklassen; eine der typischsten, die für die Textilindustrie, aber auch für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, genutzt wird, sind Azofarben. Zu diesen zählen ungefähr 80 Prozent der synthetischen Farben. Das Problem ist, dass sie nicht nur erdölbasiert sind, sondern einige dieser Farben auch durch Mikroorganismen oder UV-Strahlung in krebserregende Abbaustoffe gespalten werden können.

Birke Weber: In der Textilproduktion werden diese gesundheitsschädlichen Farbstoffe oft eingesetzt, besonders im Kontext von Fast Fashion. Das führt einerseits vor Ort zu massiven Schädigungen von Mensch und Umwelt. Andererseits hat dies auch Auswirkungen auf die Konsument*innen, weil wir die Kleider ja am Körper tragen und bei der Entsorgung und beim Waschen der Kleidung die Farbstoffe in die Umwelt gelangen. Allerdings ist die Färbung von Textilien nur ein Problem von vielen im Zusammenhang der Kreislauffähigkeit von Textilprodukten.


Oben: Die Pilze. Unten: Die Farbe. Fotos: Birke Weber

CCB Magazin:Das bedeutet, die Anwendung eurer Farbstoffe ist hauptsächlich für Textilprodukte gedacht?

Friederike Hoberg:Es gibt verschiedene Industriezweige, die man sich für die Nutzung vorstellen könnte, die Textilindustrie, aber auch für Kosmetik- oder Lebensmittelfarben. Als Wandfarbe oder als Lacke eignen sich unsere Farben dagegen nicht, da sie wasserlöslich sind.

CCB Magazin:Könnt ihr euer Herstellungsverfahren mal ausführlicher erklären? Mit welchen Pilzen experimentiert ihr und wie wird aus dem Pilzmyzel am Ende Farbe?

Friederike Hoberg:Wir haben wie gesagt mit den Fruchtkörpern angefangen und arbeiten jetzt mit dem Pilzmyzel verschiedener Pilze. Welche Pilze wir einsetzen, können wir leider nicht verraten. Ich kann aber sagen, dass wir mit Pilzen arbeiten, die man im Labor gut kultivieren kann. Wir lassen das Pilzmyzel in einem flüssigen Medium mit lebensnotwendigen Nährstoffen (z.B. Zucker) und bei einer spezifischen Temperatur wachsen. Die Farbstoffe, die der Pilz produziert, werden vom Myzel in das Nährmedium abgegeben. Das Nährmedium können wir dann direkt zum Färben einsetzen.

Birke Weber: Wir kennen nur fünf Prozent aller existierender Pilze auf der Erde. Von dem Bruchteil, den wir kennen, sind schon so viele Pilze dabei, die verschiedene Farben produzieren, dass wir davon ausgehen können, dass die Möglichkeit der Farbproduktion mittels Pilzen unbegrenzt ist

CCB Magazin:Betreibt ihr eure Forschung nur zu zweit oder habt ihr Kollaborationspartner? Wie teilt sich die Arbeit bei euch auf, wer macht was?

Friederike Hoberg:Ich promoviere gerade über Pilz-basierte Farben im Fachgebiet für Angewandte und Molekulare Mikrobiologie der TU Berlin. Ich übernehme vorrangig den biotechnologischen Forschungspart. Es wäre sehr aufwendig, ein eigenes Labor hochzuziehen, darum sind wir sehr froh, dass wir der TU Berlin so nahestehen. Wir befinden uns noch immer in der Forschungsphase, und es braucht auch noch viel Forschung, um unsere Idee zur Marktreife zu bringen.

Birke Weber:Ich beginne jetzt auch eine Stelle für zwei Jahre an der TU. Ich probiere die Farbstoffe auf den Textilien aus, prüfe Verfahren zur Färbung und entwickle das Projekt weiter. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, nicht wie ein Startup zu agieren, sondern uns die Zeit zu nehmen, die wir brauchen, ohne profitabel sein zu müssen.

CCB Magazin:Welche Farben lassen sich durch Pilze generell kreieren und wie hoch ist die Qualität der Farbe?

Birke Weber:Wir kennen nur fünf Prozent aller existierender Pilze auf der Erde! Also nur ein ganz kleiner Bruchteil wurde bisher entdeckt und die wenigsten davon erforscht. Von dem Bruchteil, den wir kennen, sind schon so viele Pilze dabei, die verschiedene Farben produzieren, dass wir davon ausgehen können, dass die Möglichkeit der Farbproduktion mittels Pilzen unbegrenzt ist. Die Qualität der Farbe ist hoch. Momentan forschen wir an den Farben Gelb, Orange und Rot mit einem Pilz, der eine ganze Bandbreite an Farbstoffen produzieren kann.


Und so sehen sie dann aus die Farben von MycoColors. Fotos: Birke Weber

CCB Magazin:Wieso hat die Industrie das bisher noch nicht aufgegriffen? Wieso kommt in Sachen nachhaltiger Farbstoffe erst jetzt Bewegung ins Spiel?

Friederike Hoberg:Es gibt einige Unternehmen, die sich seit Jahrzehnten auf natürliche Farben aus Pflanzen oder Tieren spezialisieren. Insbesondere die Farben aus Pflanzen sind von großem Interesse, aber einfach sehr teuer im Gegensatz zu synthetischen Farben. Das liegt an der langen Wachstumsdauer der Pflanzen und an der Notwenigkeit von Agrarflächen, die in Konkurrenz zur Nahrungs- und Futtermittelindustrie stehen. Zudem ist die Industrie auf Färbeverfahren mit synthetischen Farben eingestellt. Eine Umstellung ist mit hohen Kosten verbunden. Der Einsatz von Mikroorganismen, also Bakterien, Pilzen oder Algen, für die Produktion von Farbstoffen ist tatsächlich recht neu. Warum die Idee erst in den letzten Jahren aufgekommen ist, kann ich nicht genau sagen. Was allerdings eine Rolle spielt, ist, dass die Gefährdung, die von synthetischen Farben für Mensch und Natur ausgeht, lange nicht in der Gesellschaft bekannt war. In der EU gibt es mittlerweile strenge Regularien zum Einsatz von synthetischen Farben und somit eine Notwendigkeit für Alternativen. Der Gedanke einer biotechnologischen Lösung liegt demnach nahe.

Birke Weber:Es gibt bereits Unternehmen, die sich auf bakterielle oder Algen-basierte Farben spezialisieren. Außerdem gibt es ein paar Startups, die mit Pilzen experimentieren, dort allerdings insbesondere im Bereich der Lebensmittelfarben oder wasserunlöslichen Pigmente. Wir sehen dies aber nicht als Konkurrenz, weil der Bedarf an Alternativen für erdölbasierte Farben enorm groß ist und wir voneinander lernen können.

Friederike Hoberg: Der Einsatz von Mikroorganismen für die Produktion von Farbstoffen ist recht neu. Die Gefährdung, die von synthetischen Farben für Mensch und Natur ausgeht, war lange nicht bekannt. Mittlerweile gibt es in der EU aber strenge Regularien zum Einsatz von synthetischen Farben - und somit eine Notwendigkeit für Alternativen

CCB Magazin:Wollt ihr eure Idee kommerzialisieren? Was ist mit den Kosten?

Friederike Hoberg:Diese Fragen stellen sich für uns noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Ob chemisch hergestellte Produkte teurer oder billiger sind als biotechnologisch hergestellte Produkte, hängt von vielen Dingen ab, den Forschungskosten, der Forschungsdauer usw. Biotechnologische Produkte können unfassbar billig sein, die Herstellung von Antibiotika beispielsweise, übrigens auch mit Pilzen, ist sehr günstig. Sprich, ein biotechnologisches Produkt kann genauso günstig hergestellt werden wie ein chemisch-synthetisches Produkt. Dann stellt sich natürlich auch die Frage, was Textilhersteller bereit sind, für die Farbe zu bezahlen. Die Farbe ist nur ein Bestandteil eines Textilprodukts, also ein Kostenfaktor von vielen. Ob das für einen kommerziellen Einsatz ökonomisch ist, bleibt bislang offen.

Birke Weber:Für eine Kommerzialisierung unserer Idee müssen wir sicher noch an einigen Stellschrauben drehen. Wir wollen uns, wie gesagt, Zeit damit lassen. Zuerst müssen wir sicherstellen, dass wir problemlos hochskalieren können und das Färbeverfahren perfektionieren. Dann sehen wir weiter.

CCB Magazin:Wo wird MycoColors in zehn Jahren stehen, wenn es nach euch geht?

Birke Weber:Ich hoffe, unser Konzept wird fester Bestandteil der neuen Farbstoffe sein. In zehn Jahren ist die Kreislaufwirtschaft wahrscheinlich auch endlich in der Textilindustrie angekommen. Die Industrie will Alternativen für synthetische Farben haben – und die werden wir bieten.

Rubrik: Innovation & Vision

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