Digitalisierung & KI Zurück

Boris Eldagsen: "Ich kann jetzt nicht mehr zurück"

Boris Eldagsen: "Ich kann jetzt nicht mehr zurück"
Foto: © Jan Sobottka

Der Berliner Fotograf Boris Eldagsen hat mit einer KI ein Bild kreiert und damit einen renommierten Fotopreis gewonnen – ihn dann aber wieder zurückgegeben. Wer ist dieser Mann und was sind seine Motive? Wie verändert KI die Fotografie?
 

INTERVIEW Béla Sammet

 

CCB Magazin:Herr Eldagsen, Sie haben mit einem KI kreierten Bild den auf 25.000 Euro dotierten Sony World Photography Award 2023 gewonnen, den Preis aber abgelehnt. Waren Sie mehr über den Preisgewinn oder die Jury über Ihr Zurückziehen der Preisannahme überrascht?

Boris Eldagsen:Ich war sehr überrascht über den Preisgewinn – und darüber, dass es dem Veranstalter offensichtlich egal war, dass das Bild mit einer KI erstellt wurde. Ich hatte SONY ja zuvor darauf hingewiesen. Auch hatte ich der Agentur drei Gesprächsangebote unterbreitet, darauf wurde nicht reagiert. Für mich war das ja ein Test. Ich wollte herauszufinden, ob Fotografien und KI-generierte Bilder in Zukunft nicht mehr unterschieden werden können – und ob und wie Fotowettbewerbe darauf vorbereitet sind.

CCB Magazin:Was für ein Bild haben Sie mit welcher KI kreiert?

Boris Eldagsen: Das Bild heißt The Electritian, ich habe es mit es mit der KI DALL-E 2 erstellt. Für DALL-E 2 sind keine Vorkenntnisse nötig – man beschreibt mit Worten das Motiv, die KI generiert insgesamt vier Bilder zur Auswahl. DALL-E 2 gehört heute zu den wichtigsten KI-Tools neben Midjourney und Stable Diffusion, wobei Midjourney wohl die beste Schnittmenge an Leistung und Bedienbarkeit bildet. Allerdings ist das Programm nur über den Gaming Server Discord zugänglich – das schreckt viele ab, die keine Gamer*innen sind. Ich habe die KI DALL-E 2 genutzt, weil es mir für mein Vorhaben zur Erstellung eines schwarz-weiß Bildes im 1950er Jahre Stil am effektivsten erschien und es die anderen Plattformen damals noch nicht gab. Das Bild zeigt zwei eng beieinander stehende Frauen; beide mit expressivem Blick, beide nicht real.

Ich wollte herausfinden, ob Fotografien und KI-generierte Bilder in Zukunft nicht mehr unterschieden werden können - und ob und wie Fotowettbewerbe darauf vorbereitet sind

Fotos: Lisa Wassmann (oben), Joshua Rzepka (unten)

CCB Magazin:Was kann eine KI, was ein Mensch nicht kann?

Boris Eldagsen:Die KI kann aus einem riesigen Datenmaterial in Sekundenschnelle neue Bilder erstellen, das schafft kein Mensch. Zwar haben die meisten noch Schwächen mit Händen oder Füßen, bei Gesichtern, Oberkörpern oder der Haut sind sie aber schon sehr gut, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Bereiche optimiert sind. Allerdings braucht es zur Bedienung immer noch den Menschen. Darum wird die KI auch den Fotografen nicht ersetzen, fünfzig bis achtzig Prozent der Arbeit meines Bildes stammen beispielsweise von mir. Die Erfahrung, die ein Fotograf beim Prompten einbringen kann, ersetzt keine KI. Auch nicht die Evaluation, Feinjustierung und das Nachbearbeiten nach eigenen Ansprüchen.

CCB Magazin:Was glauben Sie, warum haben Sie den Preis eigentlich gewonnen?

Boris Eldagsen:Diese Frage müssen Sie mal dem Veranstalter stellen. Für mich erfüllt das Bild alle Ansprüche, die ich an ein Kunstwerk habe. Ich komme ja von der Kunsthochschule, das Bild funktioniert als solches. 

CCB Magazin:Sie wollten mit dem KI-generierten Bild eine Debatte anstoßen. Was für eine Debatte meinen Sie?

Boris Eldagsen:Mir ging es um eine Sensibilisierung gegenüber dem, was eine KI jetzt und in der Zukunft kann. Denn das Hauptproblem bei KI ist, dass die Plattform, die Features, sich so schnell weiterentwickeln und vervielfachen. Das ist wie ein Urknall. Es geht 360 Grad in alle Richtungen. Und es ist wirklich schwer, hier noch den Überblick zu behalten. Das frustriert mich auch. Und es geht hier nicht nur darum, was bereits jetzt technisch möglich ist. Es geht um ein neues Desinformationspotenzial, das von diesem Prozess ausgeht – und der uns in der Zukunft begleiten wird.

CCB Magazin:Fotografien dienen immer auch als historische Zeugnisse. Läuft die Fotografie nicht Gefahr, diesen Status zu verlieren? Schon jetzt kursieren gefälschte Bilder im Netz von Trumps Festnahme oder Putins Kniefall vor Xi.

Boris Eldagsen:Das ist in der Tat eine reale Gefahr, der wir begegnen müssen. In der britischen Presse gab es ja bereits Versuche, KI-Bilder als Fakes zu deklarieren. Allerdings gibt es noch keine entsprechende Rechtslage. Ein anderes Problem ist das Copyright: Mehrere Gerichtsurteile in den USA kamen zu dem Schluss, dass man auf KI-generierte Bilder kein Copyright anmelden kann. Die KI-Comiczeichnerin Kris Kashtanova hat gerade einen Rechtsstreit verloren – und derzeit entscheidet sich in verschiedenen Gerichtsverfahren, ob die Praxis des Scrapings, die Nutzung fremder Bilder bei der Generierung von KI-Bildern, legal ist. Das alles wird die Fotografie verändern, obwohl es den Fotografen auch weiterhin geben wird. Zwar wird der klassische Berufsfotograf in den Hintergrund treten, auch werden die Verlage künftig vermehrt Symbolbilder über KI produzieren, weil das einfach Geld und Zeit spart. Das gilt auch für Grafiken. Die erfahrenen Fotograf*innen mit ihren beruflichen Expertisen wird es aber weiterhin geben.

CCB Magazin:Wie sind Sie eigentlich zur Fotografie gekommen? Und woher rührt Ihr Interesse an KI?

Boris Eldagsen:Ich habe Kunst und Philosophie auf Lehramt studiert, mir war jedoch schnell klar, dass ich nicht in der Schule landen werde. Um das Jahr 2000 bin ich dann in die New Economy eingestiegen. Ich habe zwanzig Jahre freiberuflich im digitalen Marketing als Ideengeber gearbeitet, seit 30 Jahren fotografiere ich, seit 1,5 Jahren arbeite ich mit KI. Dabei wird mein Workflow immer komplexer. Die Bilder erstelle ich dazu auf verschiedene Arten und Weisen. Ich nehme das vorhergehend generierte Bildmaterial als Input für den nächsten Arbeitsschritt – denn ich liebe es, mit KI neue Workflows zu erproben, und natürlich bringt sie mir derzeit viel Aufmerksamkeit. Aktuell werde ich beispielsweise viel für Ausstellungen und als Experte für Workshops gebucht. Ich kann jetzt einfach nicht mehr zurück. Wenn ich vier Wochen raus wäre, war's das mit dem KI-Expertentum.

CCB Magazin:Sie unterscheiden strikt zwischen Fotografie und Promptografie. Was hat es damit auf sich?

Boris Eldagsen:Der Begriff Promptografie steht für KI-generierte Inhalte. Deren Produktion wird mit einem Prompt gestartet. Der Prompt kann ein Text, Bild, Video oder Ton sein. Ich bin jedoch nur der Prompter dieses Begriffes, ich habe ihn in einem Kommentar von einem peruanischen Fotografen auf meinem Facebook Profil gefunden. Den Begriff gab es schon zuvor.

Die Ki wird den Fotografen nicht ersetzen. Was wir aber brauchen ist ein Qualitätscheck, der Aufschluss darüber gibt, ob ein Bild bereits einen KI-Prozess durchlaufen hat oder nicht. Eine Art Faktencheck für Bilder

Foto: Thomas Eldagsen

CCB Magazin:Sie sind auch Mitglied der Deutschen Fotografischen Akademie (DFA) und der Arbeitsgruppe Technischer Fortschritt des Deutschen Fotorates. Der Deutsche Fotorat hat am 20. April 2023 ein KI-Positionspapier verfasst, das vor allem die Kunst der Fotografie schützen soll. Um was geht es hier genau?

Boris Eldagsen:Das KI-Positionspapier ist sehr wichtig. Denn zum ersten Mal haben sich in Deutschland professionelle Fotograf*innen-Vereinigungen zusammengefunden. Wir fordern in dem Papier neue ethische Standards für den Umgang mit fotografischen Quellen. Es muss darum gehen, authentisches Material künftig erkennbar und überprüfbar zu machen, generierte Bilder sollen dagegen nicht mehr als Fotografien gelten. Letztlich brauchen wir einen Qualitätscheck, der Aufschluss darüber gibt, ob ein Bild bereits einen KI-Prozess durchlaufen hat oder nicht. Eine Art Faktencheck für Bilder.

CCB Magazin:Auf EU-Ebene wurde im Juni bereits ein risikobasiertes KI-Gesetz, das KI-Systeme in Risikogruppen einstufen und dementsprechend regulieren soll, angenommen. Inwieweit ist das eine wichtige Entwicklung – auch mit Hinblick auf die Kunst- und Kulturbranche?

Boris Eldagsen:Das ist eine sehr wichtige Entscheidung, denn wir müssen den Wildwuchs neu regulieren. Ein Problemfeld ist und bleibt dabei das bereits angesprochene Informationspotenzial und das Thema Copyright. Fragen werden sein: Woher kommen die Trainingsdaten? Wenn ich KI nutze, habe ich dann die Urheberrechte an dem Bild? Und was ist mit den einzelnen Nutzer*innen, die innerhalb des Workflows vielfach die Möglichkeit haben, das Urheberrecht zu brechen? Und wer kontrolliert das Ganze? Früher lauteten die Fragen in der Fotografie, ist meine Technik gut genug? Wie ist die Außentemperatur? Finde ich jemanden, der Modell steht, wie viel Geld gebe ich dem? Wir stehen hier erst am Anfang einer neuen Dekade, in der künftig nichts mehr so sein wird wie zuvor.

CCB Magazin:Herr Eldagsen, wie geht's mit ihnen weiter? Was planen Sie und wann gewinnen Sie endlich mal einen Preis, den Sie nicht zurückgeben werden?

Boris Eldagsen:Ich werde mich weiter in die Debatte einbringen, mit KI experimentieren und auch fotografieren. Wichtiger als Preise sind mir aber die kommenden Ausstellungen meines neuen Projektes "Trauma Porn", das die Langzeitfolgen von Krieg behandelt und die KI mit Bildmaterial aus der Nazizeit füttert.

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