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Karina Filusch: "Eine Musterklage wäre wünschenswert"

Karina Filusch: "Eine Musterklage wäre wünschenswert"
Foto: © Kevin Geduhn und Lennard Geduhn

Künstliche Intelligenz kommt immer häufiger auch in kreativen Arbeitsfeldern zum Einsatz. Welche Konsequenzen hat das für die Urheberrechte von Künstler*innen und Kulturschaffenden? Welche Anpassungen sind nötig? Darüber haben wir mit der Juristin Karina Filusch gesprochen.

 

INTERVIEW  Boris Messing    

 

CCB Magazin: Hallo Frau Filusch, Sie sind Fachanwältin für IT-Recht und kennen sich sehr gut mit Urheberrechtsfragen aus. Hat sich denn durch die Nutzung von KI-Tools wie ChatGPT oder Midjourney im deutschen Urheberrecht etwas verändert?

Karina Filusch:Die Thematik der KI ist nicht explizit geregelt. Deutsche Gesetze sind in der Regel sehr alt und so allgemein gefasst, dass wir für die Digitalisierung nicht unbedingt eine Reform des Urheberrechts benötigen. Die Gesetze sind so gefasst, dass sie sich auch auf die neue Situation mit KI-Tools auslegen lassen. Trotzdem wäre es natürlich rechtssicherer, wenn das Wort Künstliche Intelligenz irgendwo im Urheberrecht fallen würde. Eine weitere durchaus sinnvolle Regelung für mehr Transparenz wäre beispielsweise, wenn man im Urheberrecht festlegen würde, dass die Quellen von KI-Systemen genutzter Werke immer angegeben werden müssen.

CCB Magazin:Was ist denn das grundsätzliche Problem, das sich durch KI im Urheberrecht ergibt?

Karina Filusch:KI-Tools werden zum einen mit den Werken Kreativer gefüttert bzw. trainiert. Das können Texte sein, Bilder, Lieder, Videos usw. Ohne die Werke, durch die die KI lernt, kann sie keine Ergebnisse produzieren. Die KI-Tools werden aber auch von den Kreativen selbst genutzt, um weitere Werke zu schaffen, also auch wieder Texte, Bilder, Lieder usw. Das bedeutet, dass eine KI, die mit nicht frei verfügbaren, also urheberrechtlich geschützten Werken, trainiert, die Kreativen für die Bereitstellung ihrer Werke entlohnen müsste. Nicht die KI selbst natürlich, sondern die Entwickler der KI oder das Unternehmen. Das ist momentan jedoch nicht der Fall.

Die Thematik der KI ist im deutschen Urheberrecht nicht explizit geregelt. Die Gesetze sind allerdings so gefasst, dass sie sich auch auf die neue Situation mit KI-Tools auslegen lassen

CCB Magazin:Mal einen Schritt zurückgefragt: Wann hat ein Künstler oder eine Künstlerin überhaupt ein Urheberrecht?

Karina Filusch:Das deutsche Recht regelt, dass eine bestimmte Schaffenshöhe erreicht werden muss, damit ein Kunstwerk urheberrechtlich geschützt ist. Es muss also ein Minimum an künstlerischer Arbeit in etwas gesteckt werden, damit man Urheber*in von einem Werk werden kann. Diese Schwelle ist in Deutschland sehr niedrig.

CCB Magazin:Eine Sache verstehe ich nicht. Das Urheberrecht bezieht sich ausschließlich auf menschengemachte Werke. Gleichzeitig werden, wie Sie sagen, KI-Tools immer häufiger für kreative Arbeit genutzt. Ist das nicht ein Widerspruch?

Karina Filusch:Die KI wird in diesem Sinn als Werkzeug des Menschen verstanden, so wie der Pinsel für den Maler oder die Gitarre für die Musikerin eine Art Werkzeug sind. Der Mensch bleibt immer noch der Urheber – zumindest so lange die KI den Kreativen genügend Möglichkeiten schafft, das Endergebnis auch wirklich zu beeinflussen.

CCB Magazin:Aber der Unterschied ist doch, dass die KI mit den Werken anderer trainiert und mit deren Hilfe ihre Ergebnisse produziert.

Karina Filusch:Deshalb ist es gut, dass im August 2021 der Begriff der Pastiche eingeführt wurde. Pastiche gesellt sich hier in eine Reihe mit den Begriffen Parodie und Karikatur. Für Parodien und Karikaturen dürfen Werke anderer verwendet werden, wenn der überzeichnende oder parodierende Charakter des neuen Werkes klar erkennbar ist. Dann wird kein Urheberrecht verletzt. Die Pastiche lässt sich in diesem Kontext als eine Art Hommage an ein anderes Werk verstehen. Das kann auch ein Mix aus verschiedenen Kunstwerken anderer Künstler*innen sein. Pastiches sind beispielsweise Remixe, Memes, GIFs, Fan Fiction oder ähnliches.

Eine KI, die mit nicht frei verfügbaren, also urheberrechtlich geschützten Werken, trainiert, müsste die Kreativen für die Bereitstellung ihrer Werke entlohnen

CCB Magazin:Wenn es sich aber nicht um Memes oder GIFs handelt, sondern um echte Kunstwerke, die mit der KI geschaffen werden, dann können doch Urheberrechte verletzt werden?

Karina Filusch:Ja, insofern die KI mit Werken gefüttert wurde, deren Nutzungsrechte nicht freigegeben wurden. Nehmen wir als Beispiel Bilder, daran lässt es sich gut erklären. Wenn die KI mit Bildern trainiert, deren Nutzungsrechte freigegeben wurden, also gemeinfrei sind, dann ist das ok. Werden aber Urheberrechte gebrochen, was oft der Fall ist, dann ist das nicht ok.

CCB Magazin:Aber wie kann ich denn feststellen, mit was die KI gefüttert wurde?

Karina Filusch:Das kann man als Nutzer*in oder Künstler*in in der Regel nicht. Das wissen nur die Künstler*innen, die die Kunstwerke erstellt haben, mit denen die KI trainiert wurde. Die können dann ihre Nutzungsrechte gegen den Hersteller der KI geltend machen. Wobei, wie gesagt, die Pastiche-Regelung es eben erlaubt, die Kunstwerke anderer unter bestimmten Umständen zu verwenden.

CCB Magazin:Wer haftet für Rechtsverletzungen, wenn Künstler*innen KI-Tools nutzen, welche Urheberrechte verletzen?

Karina Filusch:Wenn die Künstler*innen, die die KI nutzen, sich wirksam darauf berufen können, eine Pastiche angefertigt zu haben, dann sind diese aus der Haftung raus und dann bleiben nur die Softwarehersteller bzw. Unternehmen. Solche Fälle gibt es bisher nur in den USA. Derzeit werden OpenAI und Meta auf über drei Milliarden Dollar Schadensersatz verklagt. Die füttern ihre KIs mit Kunstwerken von Künstler*innen, für deren Werke sie keine Nutzungsrechte haben. Ich warte schon die ganze Zeit darauf, dass mich ein*e Künstler*in beauftragt, um in ihrem Namen zu klagen. In Deutschland gibt es noch keine Rechtsprechung zu dem Thema. Für mich ist die Rechtslage klar, die Leute müssen Geld bekommen. Eine Musterklage wäre darum wünschenswert. In technisch neuen Situationen ist es notwendig, Musterverfahren anzustreben, um Klarheit in die Sache zu bringen. Dazu muss sich aber erstmal jemand finden, der oder die eine solche Klage machen will. Würde dem Kläger eine Entlohnung durch KI genutzte Werke zugesprochen werden, wäre das ein klares Statement und würde medienwirksam einen Riegel vor solche Praktiken schieben. Es ist sehr schön, dass der Gesetzgeber den Künstler*innen dieses Recht gibt, aber wenn die Gesellschaft das nicht mitbekommt und kein Druck von außen aufgebaut wird, dann sind die Gesetze nutzlos.

In Deutschland gibt es noch keine Rechtsprechung zum Thema KI und Urheberrechtsverletzungen. Eine Musterklage wäre darum wünschenswert, um Klarheit in die Sache zu bringen

CCB Magazin:Das sagen auch Sascha Lobo und andere KI-Kritiker: Menschen, die Werke für das Training der KI beisteuern, müssen dafür entlohnt werden. Nun ist es aber so: Die KI trainiert mit abertausenden von Kunstwerken – selbst wenn man die einzelnen Künstler*innen dafür bezahlen würde, blieben da am Ende nicht nur Peanuts übrig? Und wie könnte eine Entlohnung für Menschen, die Daten für KIs bereitstellen, praktisch umgesetzt werden?

Karina Filusch:Da haben Sie leider recht. Wobei man als Künstler*in immer verhandeln kann. Ich kann als Künstler*in ja auch sagen, ich will mein Werk nicht verkaufen für fünf Euro, das ist mir zu wenig. Man hat immer eine Wahl, man kann mitverhandeln, auch wenn eine Konfrontation mit Microsoft oder Meta wie ein Kampf zwischen David und Goliath erscheint.

CCB Magazin:Welche Rolle kommt Verwertungsgesellschaften wie Gema oder VG Wort im Zusammenhang mit KI und Lizensierungsrechten zu? Hätten die nicht Anreize zu klagen?

Karina Filusch:Eigentlich könnte die Gema durchaus klagen, wenn es um Musikstücke geht, die von einer KI verwendet werden, ohne die Musiker*innen vorher entlohnt zu haben. Schade, dass die Gema das bisher nicht getan hat. Aber es braucht eben auch hier erstmal eine Klägerin oder einen Kläger, der oder die sich dazu bereit erklärt. Zudem braucht es Jurist*innen, die über den Tellerrand hinausschauen und verstehen, dass das eine gesellschaftliche Relevanz für Musiker*innen und Künstler*innen hat.

CCB Magazin:KI macht an keinen nationalen Grenzen halt. Müsste es daher keine gesamteuropäische oder gar globale Lösung für Urheberrechtsprobleme im Zusammenhang mit KI geben? 

Karina Filusch:Sie haben völlig recht, es müsste auf der ganzen Welt geregelt sein. Momentan ist es nirgendwo geregelt. Die EU arbeitet gerade einen AI Act aus. Bis jetzt können sich Künstler*innen nur auf ihr nationales Recht berufen. Umgekehrt müssen global aktive Unternehmen wie die großen Tech-Giganten jedes einzelne Urheberrecht in jedem einzelnen europäischen Land befolgen, was nicht besonders effektiv ist. Eine einheitliche europäische Gesamtregelung wäre besser.

CCB Magazin:Als Fazit: Welche Chancen kann der Einsatz von KI Urheber*innen und der Kreativwirtschaft insgesamt bieten? Oder schafft die KI mehr Probleme in dieser Hinsicht?

Karina Filusch:Ich bin eine Technikfreundin, darum sehe ich in den KI-Tools für Künstler*innen Chancen für sie, mehr Kunst zu schaffen. Ich sehe nicht die Gefahr, dass Künstler*innen durch sie ersetzt werden. Es sind immer noch menschliche Werke, mit denen die KI gefüttert wird, zumal es für Gesellschaftskritik, die in Kunstwerke einfließen, Menschen braucht. KI ist einfach nur ein neues Tool, ein neuer Pinsel.

Rubrik: Wissen & Analyse

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