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And the winner is...

And the winner is...
Foto: © Ibrahim Schehab

Jedes Jahr werden herausragende Projekte mit der Auszeichnung der Kultur- und Kreativpilot*innen beehrt. Diesmal stand ein Thema ganz besonders im Zentrum: Diversität. Gleich drei Berliner Projekte wurden in diesem Zusammenhang ausgezeichnet. Wir wollen sie hier kurz vorstellen.
 

Text Boris Messing  

 

Die Themen Diversität und Inklusion nehmen in der gesellschaftlichen Debatte immer größeren Raum ein. Doch die Sensitivierung gegenüber Menschen, die in den Köpfen vieler an die Ränder der Gesellschaft gestellt oder gar nicht erst gesehen werden, passiert nicht von alleine. Dafür braucht es einen neuen Blickwinkel, ein frisches Narrativ oder auch mal einen (selbst)kritischen Weckruf, der den Finger in die Wunde legt. In diesem Sinne wurden bei der diesjährigen Auszeichnung der Kultur- und Kreativpilot*innen gleich drei Berliner Projekte hervorgehoben, die es sich zur Aufgabe machen, Menschen sichtbar zu machen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht gesehen oder – schlimmer noch – mit dem Auge des Vorurteils betrachtet werden. Wir wollen sie hier kurz vorstellen.  
 

Made by Black Excellence

Garcia Suka Arthur, Mutter von drei Kindern, suchte für das Weihnachtsfest 2020 Sticker eines schwarzen Weihnachtsmanns, um, wie sie sagt, „die Weihnachtsgeschenke für die Kinder aufzuhübschen“. Garcia wuchs in Berlin auf, ihre Wurzeln liegen in Angola. Die Suche nach einem schwarzen Weihnachtsmann stellte sich jedoch schwieriger heraus als gedacht. Dass sie so etwas nicht im deutschen Einzelhandel finden würde, erzählt sie im Gespräch, sei ihr klar gewesen. Doch auch im Internet wurde sie nicht fündig. Zwar fände man auf einschlägigen Seiten in England, Amerika oder China Schreibwaren, die schwarze Menschen abbildeten – aber nicht in Deutschland. Garcia entschloss, zu handeln. 

Garcia Suka Arthur. Foto: Layoniamedia

Da sie in der Pandemie ihren Job verlor, hatte sie auf einmal Zeit, eine Geschäftsidee zu entwickeln – ihr Business Made by Black Excellence. Sie fing an, Grußkarten, Postkarten, Sticker und andere Schreibwarenprodukte zu Hause herzustellen und online zu vertreiben. Sie hatte noch ein altes Plottergerät bei sich, bestellte Vinylpapier und begann zu basteln und zu drucken. Schon bald häuften sich die Bestellungen. Heute arbeitet Garcia darum mit einer Manufaktur zusammen. Die Designs für ihre Produktillustrationen, die auch bedruckte Tassen umfassen, hat sie zum Teil kommerziell erworben, zum Teil entwirft sie sie auch selbst. 

Auch wenn sie noch nicht von ihrem Online-Business leben kann, stieß sie mit Made by Black Excellence auf einen Nerv. Es gebe, erzählt sie, „zwei Gruppen von Reaktionen“ auf ihre Idee: Die einen sind Betroffene, zusammengefasst unter dem Akronym BIPoCs (Black People, Indigenous People and People of Colour), die ihre Initiative begeistert begrüßten. Die anderen seien Menschen, denen plötzlich ein Licht aufginge. Garcia hat oft schon selbst Erfahrungen mit Diskriminierung machen müssen. Das fing an mit Beleidigungen in der Grundschule wegen ihrer schwarzen Hautfarbe und setzte sich fort in der wiederholten Unterschätzung ihrer Fähigkeiten. Die Unterschätzung von BIPoCs ist ein typisches Diskriminierungsphänomen, das mit einer verzerrten oder falschen Wahrnehmung zusammenhängt.

Garcia will dazu beitragen, BIPoCs sichtbarer zu machen. Gerade in Kinderbüchern, sagt sie, würde das Thema Diversität bereits vermehrt adressiert. Bei Schreibwaren und alltäglichen Utensilien gäbe es allerdings noch Handlungsbedarf. Wer in der Apotheke einmal nach schwarzen Pflastern sucht, wird kaum fündig werden. Von violetten ganz zu schweigen! 
 

Kopftuchmädchen

Dalal Mahra trägt Kopftuch und ist stolz darauf. Die Berlinerin hat palästinensische Wurzeln und möchte „die Sichtbarkeit von muslimischen, Kopftuch tragenden Frauen“ verstärken, da sie dies in den Mainstream-Medien vermisse. Dafür hat sie Kopftuchmädchen erfunden – ein multimediales Format bestehend aus Interviews, YouTube-Videos, einem Podcast, Porträts auf Instagram und Netzwerktreffen für muslimische Frauen. Ziel und Zweck sind immer die gleichen: die Vielfalt der muslimischen Frauenwelt aufzuzeigen, mit und ohne Kopftuch. Es ginge, erklärt Dalal, um Empowerment, Akzeptanz und Diversität dieser Frauen. Ihr multimediales Format richtet sich daher überwiegend an die Zielgruppe muslimischer, deutschsprachiger Frauen zwischen 25 und 35. 

Dalal Mahra. Foto: Julius Matuschik

Die Idee zu Kopftuchmädchen sei „aus einem persönlichen Bedürfnis heraus“ entstanden, erzählt sie. Es habe keinen zu interessieren, „wieso sich eine Frau so kleidet, wie sie sich kleidet“, es sei egal, „ob sie sich die Haare blau färbt oder Kopftuch trägt“. Nun könnte man einwenden, dass das Kopftuch gerade aber auch für die Unterdrückung von (muslimischen) Frauen steht. Diese Fälle bestreitet Dalal prinzipiell nicht, betont jedoch, dass man als Kopftuch tragende Frau automatisch in eine Beweisschuld gedrängt werde. Man müsse beweisen, dass man nicht unterdrückt werde. Das kann zu absurden Erfahrungen führen. Dalal selbst musste eine solche Erfahrung machen. Als sie ihre Ausbildung zur Friseurgesellin machte, entschied sie sich dafür, Kopftuch zu tragen. Ihr Chef war damit allerdings nicht einverstanden und drohte ihr mit der Kündigung, was Dalal zum Einlenken brachte. Sie entschied das Kopftuch nicht zu tragen, um ihre Ausbildung beenden zu können.

Dalal betreibt ihr Medium derzeit alleine und arbeitet hauptberuflich als Bildungsreferentin in der politischen Bildung. Mit Kopftuchmädchen gibt sie Frauen eine Stimme, die stark mit Vorurteilen und Klischees behaftet sind. Denn Kopftuch kann auch knallig sein.  
 

JÜNGLINGE Film

JÜNGLINGE Film, das sind Faraz Shariat, Paulina Lorenz und Raquel Kishori Dukpa. Die Berliner Film- und Fernsehproduktionsfirma wirft einen etwas anderen Blickwinkel auf gesellschaftliche Themen. Abseits von geläufigen oder dem Publikum schmeichelnden, wohlfeilen Narrativen, abseits vom Mainstream. In pop-kultureller Manier werden Produktionen realisiert, die sich um die Themen Identität und Gemeinschaft drehen. Der Anspruch ist, mit einem unverblümt feministischen, antirassistischen und queeren Ansatz ungewöhnliche Geschichten zu erzählen und eine Plattform für Menschen und Perspektiven zu bieten, die sonst in der gesellschaftlichen Sphäre kaum Beachtung finden. Es geht um radikale Ehrlichkeit.

Das Produktionsteam tritt auch selbst als Filmemacher*innen in Erscheinung. Der Film Futur Drei (Regie Faraz Shariat) ist eine autofiktive Coming-of-Age-Story über Parvis, einem Deutsch-Iraner in zweiter Generation, der in einer Flüchtlingsunterkunft Sozialstunden ableisten muss. Dort lernt er den geflüchteten Iraner Amon und seine Schwester Banafshe kennen und beginnt eine Affäre mit Amon. Der Film verbindet in spielerischer Erzählung die Themen Migration, Flüchtlingsleben und Homosexualität. Faraz Shariat und Paulina Lorenz schrieben gemeinsam an dem Drehbuch. Der Debüt-Film wurde im Rahmen der Filmfestspiele Berlin im Jahr 2020 zum ersten Mal gezeigt und von der Kritik hochgelobt. 

JÜNGLINGE Film produzieren nicht nur Filme und schreiben Drehbücher, sie bieten auch antidiskriminierende Beratung in allen Bereichen der Produktion: von der Entwicklung, über das Drehbuch bis zum Casting und allen anderen Produktionsprozesse. Die Grundmaxime bleibt dabei immer, neue, frische Narrative auf gesellschaftliche Randthemen zu finden. Denn Film & TV bilden Realitäten nicht nur ab, sie schaffen sie auch. Sie prägen Selbstbilder und Visionen, wie und in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Durch ein diskriminierungskritisches Erzählen und Produzieren wollen die JÜNGLINGE dazu beitragen, die Sicht auf Menschen außerhalb der eigenen Wohlfühlzone zu erweitern.


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