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Julian Loewe: "Die Tools sind noch nicht ausgereift genug"

Julian Loewe: "Die Tools sind noch nicht ausgereift genug"
Foto: © Dominik Friess

Wie lässt sich KI in Marketing und Promotion einsetzen? Über dieses Thema sprechen Lukas Kolb und Julian Loewe auf der diesjährigen Most Wanted: Music und erklären, was das Ganze mit DIY zu tun hat. Wir haben sie vorab dazu befragt. 
 

INTERVIEW  Boris Messing

 

CCB Magazin:Hallo Lukas und Julian. Bevor wir ins Detail gehen, stellt euch doch bitte erstmal vor. Wer seid ihr?

Lukas Kolb:Ich bin Lukas Kolb, aktuell noch Masterstudent an der Popakademie in Mannheim. Dort habe ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit umfassend mit dem Thema KI im Musikmarketing bei Indie-Labels beschäftigt. Ich habe Interviews mit Indie-Labels dazu geführt, beispielsweise auch mit Julian. Im zweiten Schritt habe ich dann die in den Interviews erwähnten Probleme und Potentiale im Umgang mit KI mit KI-Spezialist*innen diskutiert. Das Ziel war eine Art von Best Practices zu erarbeiten. Eine der zentralen Fragen dabei war, wie KI vernünftig als Marketinginstrument im Indie-Label-Kontext angewandt werden kann.

Julian Loewe:Ich bin Julian Loewe, Gründer und Geschäftsführer von NEUBAU Music. Wir bestehen zum einen aus Künstler*innen, Produzent*innen-Management, zum anderen haben wir einen Musikverlag und ein Label, die NEUBAU Music Recordings GmbH. Uns gibt es erst seit fünf Jahren. Unser Markenzeichen ist es, frühzeitig zu erkennen, welche technologischen Entwicklungen in der Musikszene nicht antizipiert wurden, um diese dann für uns zu nutzen. In diesem Sinne befassen wir uns sehr intensiv mit dem Thema KI.

Lukas Kolb. Foto: Luca Kohout

CCB Magazin: Auf der diesjährigen Most Wanted: Music seid ihr Speaker des Themas „DIY – Working with AI for marketing and promotion” geladen. Der Begriff Do It Yourself, kurz, DIY, kam erstmals 1912 auf. Er zielte darauf ab, die Wände selber zu streichen, um sich selbst zu ermächtigen. Man verbindet DIY daher eher mit Handwerksarbeiten. Was hat das mit KI zu tun?

Lukas Kolb:Das ist eine gute Frage. KI-Tools haben natürlich auch einen handwerklichen Aspekt. Zum einen in Bezug auf ihre Bedienung, zum anderen bezogen auf den Content, den man mit ihnen kreieren kann. Nimm das KI-Tool Opus Clip: Diese KI kann dir aus bis zu 90-minütigen Videos beispielsweise von Interviews oder Podcasts automatisch sieben bis zehn Short-Form-Videos schneiden, mit denen du Interview oder Podcast dann bewerben kannst. Mit Untertitel und Teaser. Dadurch wird Arbeitszeit frei, die man auf Strategien und die kreative Arbeit an sich verwenden kann. 

Julian Loewe:Es gibt wahnsinnig viele KI-Tools auf dem Markt, die noch nicht von allen entdeckt worden sind. Man kennt das Potential von KI, man weiß was technisch dahintersteckt, aber die meisten interessieren sich nicht für die technischen Details, sondern für die oberflächliche Benutzbarkeit. Ich glaube, das ist auch ein bisschen der DIY-Aspekt, dass man direkten Zugriff auf diese Tools hat. Und oft sind sie auch kostenfrei. 

CCB Magazin:Wann und wie habt ihr angefangen, euch mit dem Thema KI auseinanderzusetzen? Und in welchem Bereich? 

Julian Loewe:Ich für meinen Teil vor ungefähr einem Jahr, hauptsächlich für die Produktivitätssteigerung. Es ging gar nicht so sehr um die Optimierung unserer Prozesse im kreativen Bereich, sondern vielmehr um die Organisation, also KI zu nutzen für Recherchezwecke oder zur Ordnung von Informationen. Damit hat es bei uns angefangen. Ich habe dann sehr schnell erkannt, dass mit sehr wenig Aufwand viel erreicht werden kann - ohne ein großes technisches Knowhow haben zu müssen. 

Lukas Kolb:Ich beschäftige mich seit etwas über einem Jahr damit. Aus persönlichem Interesse und im Kontext meiner Masterarbeit. Ich habe das Thema darum sehr durch die wissenschaftliche Linse betrachtet. Ich wollte vor allem wissen, wie sich KI-Tools bei Marketingstrategien einsetzen lassen. 

Julian Loewe: Mittlerweile gibt es symbiotische Verbindungen zwischen Plattformen wie Spotify und TikTok. Die Idee ist über das Marketing auf TikTok Leute auf Spotify zu ziehen. Und Streaming von Musik ist zum Basis-Geschäftsmodell von Musiker*innen und Labels geworden

CCB Magazin:Und? Wie lassen sich KI-Tools für Marketing und Promotion einsetzen?

Julian Loewe:Ich kann direkt mal was aus dem Anwendungsbereich erzählen. Nehmen wir nochmal das Tool Opus Clip. Das löst ein ganz großes Problem in unserer Branche, und zwar Content Creation. Künstler*innen sind gezwungen, ständig Social-Media-Plattformen wie TikTok zu bespielen, um Aufmerksamkeit zu generieren. Das raubt Zeit und Kraft für die eigentliche Arbeit: die Musik. Mit Opus Clip lassen sich Videoschnipsel aus vorhandenen Videos kreieren. Die KI analysiert das Videomaterial und macht Vorschläge, was sich aus welchem Grund am besten nutzen lässt. Das kann auch ein Text sein, eine Melodie oder ein Bild. Und selbst wenn man die Vorschläge nicht nutzt, kann die Empfehlung der KI sehr brauchbar sein. 

CCB Magazin:In welches Medium wird denn am meisten Zeit investiert bei der Vermarktung von Musik?  

Julian Loewe:Tatsächlich ist das gerade TikTok. Musikvermarktung war wahrscheinlich noch nie so einfach wie auf TikTok. Die Möglichkeit, Reichweite zu erzielen, unterscheidet sich ganz wesentlich im Algorithmus von Plattformen wie Instagram oder Facebook. Bei TikTok geht es um Viralität, um das Besondere. Mittlerweile gibt es auch schon symbiotische Verbindungen zwischen Plattformen wie Spotify und TikTok. Die Idee ist über das Marketing auf TikTok Leute auf Spotify zu ziehen. Und Streaming von Musik ist zum Basis-Geschäftsmodell von Musiker*innen und Labels geworden, eine der wichtigsten Einkommensquellen.  

CCB Magazin:Der Einsatz von KI spart Zeit. Aber trägt er auch zu neuen, kreativen Lösungen bei, auf die man beispielsweise nicht gestoßen wäre, wenn man KI-Tools nicht zur Verfügung gehabt hätte?

Lukas Kolb:Definitiv. Selbst eine allgemeine KI wie ChatGPT lässt sich sehr gut zur Ideengewinnung verwenden. Es ersetzt dabei nicht die Kreativität, sondern ergänzt und unterstützt sie.  

Julian Loewe:Das ist sehr wichtig, was Lukas gerade gesagt hat. KI sollte in kreativen Prozessen unterstützen, aber ich denke nicht, dass sie Musiker*innen ersetzen wird. KI dient als Inspirationsquelle und vereinfacht Arbeitsprozesse. 

Lukas Kolb: Bei den größeren Kreativ-Unternehmen verhindern oft interne Guidelines den Einsatz von KI – wegen des Datenschutzes. So gesehen sind es vor allem die kleineren Unternehmen, die KI-Tools nutzen können, was ihnen später zum Vorteil gereichen kann

CCB Magazin:Wird der Einsatz von KI dazu führen, dass Jobs im Marketingbereich schwinden oder entstehen neue? Wenn ja, welche fallen weg, welche kommen hinzu? 

Julian Loewe:Wie gesagt, ich glaube nicht, dass die Entwicklung dazu führen wird, dass es weniger Jobs im Kreativbereich oder konkret im Musikbereich geben wird. Die Musikindustrie ist ein People’s Business, da geht es viel um persönliche Kontakte, das kann eine KI nicht ersetzen. Jobs, die sich darum drehen, Dinge wie Pressetexte oder Cover zu erstellen, könnten allerdings obsolet werden. Andererseits braucht es neue Leute, die die KI-Tools bedienen können.   

CCB Magazin:Julian, du bist ja auch Wirtschaftsjurist. Wer wird denn dafür haftbar gemacht, wenn eine KI künftig in einem Unternehmen das Marketing (mit)steuert? Und wie werden ethische Richtlinien beachtet? 

Julian Loewe:Das ist gerade ein sehr spannendes Thema, zu dem es noch keine definitiven Antworten gibt. Da ist zum einen das Urheberrecht, das noch nicht an die neuen technologischen Gegebenheiten angepasst ist. Das betrifft die Frage: Wer ist in welchem Fall ein Urheber? Kann KI ein Urheberrecht halten? Wer ist für was verantwortlich? Was die Haftung betrifft, würde ich generell sagen: diejenige Person, die einen Auftrag erteilt, sagen wir, um ein Album zu produzieren oder ein Kunstwerk zu schaffen, trägt am Ende die Verantwortung für das Ergebnis. Richtig problematisch wird es bei dem Thema Deep Fakes, vor allem wenn die Content Creator anonym bleiben. Wie man das kontrollieren kann, ist derzeit offen. Ethisch bedenklich finde ich, dass im Marketing oft personalisiert geworben wird, also Menschen z.B. direkt mit ihrem Namen angesprochen werden. Das ist datenschutzrechtlich bedenklich und gibt Raum für Manipulationen. Da brauchen wir eine kontrollierende Instanz, um Personen zu schützen.

Lukas Kolb:Ich will hier noch ergänzen, dass es seitens der EU bereits mit dem AI Act Vorschläge zur Regulierung von KI gibt, diese aber viel zu langsam umgesetzt werden. Die technologische Entwicklung schreitet so schnell voran, dass die Regulierung nicht hinterherkommt. Die bürokratischen Räder drehen sich viel zu langsam. 

CCB Magazin:Wie weit verbreitet sind eurer Einschätzung nach KI-Tools heute schon im Marketingbereich? Wie lange wird es (noch) dauern, bis sie standardmäßig eingesetzt werden?

Julian Loewe:Diese Tools sind noch nicht etabliert, weil das alles noch in den Kinderschuhen steckt. Die Tools sind noch nicht ausgereift genug. Trotzdem denke ich, dass es nur noch wenige Jahre dauern wird, bis sie in der Breite eingesetzt werden. 

Lukas Kolb:Derzeit ist viel noch Zukunftsmusik. Gerade bei den größeren Kreativ-Unternehmen verhindern oft interne Guidelines den Einsatz von KI – wegen des Datenschutzes. So gesehen sind es vor allem die kleineren Unternehmen, die das nutzen können, was ihnen später zum Vorteil gereichen kann. Das wäre auch eine Handlungsempfehlung von mir an kleinere Unternehmen: Fangt jetzt an, mit KI zu experimentieren! 

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