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Sven Bliedung von der Heide: "Es wird noch vier Jahre dauern, bis man KI-basierte Filme machen kann"

Sven Bliedung von der Heide: "Es wird noch vier Jahre dauern, bis man KI-basierte Filme machen kann"
Foto: © Volucap

Die Filmbranche ist wie keine andere von der rasanten Entwicklung um KI-Systeme betroffen, sie umfasst die gesamte Prozesskette. Ein Beispiel hierfür ist die Volumetrie: Volucap ist nicht nur das einzige volumetrische Studio, das es in Deutschland gibt, sondern auch Weltmarktführer. KI-Tools sind  ein integraler Bestandteil des Unternehmens. Wir sprachen mit Geschäftsführer Sven Bliedung über sein Geschäft und wie KI in Zukunft den Film revolutionieren könnte.  

 

INTERVIEW  Boris Messing    

 

CCB Magazin: Hallo Sven. Du bist Geschäftsführer von Volucap, dem ersten und einzigen volumetrischen Studio in Deutschland. Basiert euer System bereits auf KI?    

Sven Bliedung von der Heide: Wir sind das Studio mit der weltweit höchsten Bildauflösung – das setzt uns von anderen volumetrischen Studios ab und macht uns zum Weltmarktführer. Und klar, wir setzen eine ganze Reihe von KI-Tools ein. Alleine um die Schätzung von den Tiefendaten zu machen, um dann später 3D-Animationen zu erzeugen, braucht es viele Algorithmen. Beispielsweise gibt es immer Bereiche, wo die Kamera nicht hinsehen kann, und die schwarzen Flecken müssen dann von der KI errechnet werden. Wir haben insgesamt 42 Kameras, die von allen Seiten filmen, daraus muss am Ende eine 3D-Figur entstehen.

CCB Magazin:Volucap hat unter anderem am vierten Film der Matrixsaga, Matrix Resurrections, mitgewirkt. Kannst du mal genauer erklären, wie so eine volumetrische Erfassung funktioniert?   

Sven Bliedung von der Heide:Im Unterschied zur Photogrammetrie, wo ein Standbild von Objekten gemacht wird, die dann animiert werden, kann man mit Hilfe der Volumetrie Bewegungen eines Darstellers erfassen. Die Computerspiele-Branche macht eigentlich nur Fotos von Objekten oder Menschen und animieren sie danach. Deshalb sehen die auch oft so puppenhaft aus, weil es eben nicht – wie bei uns – dreidimensional gefilmt ist. Wir nehmen alle Varianten von Bewegungen eines Darstellers auf, die später in einem Film gebraucht bzw. gezeigt werden. Der Vorteil zu Motion Capture ist, dass es keiner manuellen Nachbearbeitung mehr bedarf. Nach den Aufnahmen müssen wir im Gegensatz zu einem Motion-Capture-System nichts mehr simulieren. Die Auflösung ist extrem gut. Bei uns erkennt man sogar die Wimpern im Gesicht und unser Detailgrad ist weltweit mit Abstand führend.

CCB Magazin:Noch müssen echte Menschen in euer Studio kommen, um volumetrisch erfasst zu werden. Wie lange wird es dauern, bis KI-Systeme Menschen gänzlich aus 2D-Bildern erschaffen können? 

Sven Bliedung von der Heide:Das wird, glaube ich, nicht mehr lange dauern. Die Frage ist nur, wie detailliert diese Ansicht sein wird. Die Schwierigkeit wird nämlich sein, das in einer fotorealistischen Qualität hinzubekommen. In jedem Fall wird es mehr und mehr Möglichkeiten geben, auf Basis von normalen Videodaten Menschen in 3D zu erzeugen. Ich denke, es wird vielleicht noch vier Jahre dauern, bis man komplett KI-basierte Filme machen kann - ohne dass ein Mensch noch irgendetwas tun muss, mit Drehbuch und allem Drum und Dran.  

Das große Konkurrenzprodukt für Schauspieler werden KI-Schauspieler sein. Künftig werden sich Schauspieler darum bemühen müssen, digital erfasst zu werden - so behalten sie die Lizenzrechte für sich und verdienen auch daran, wenn sie als Avatar in Erscheinung treten

CCB Magazin:Wo du es gerade erwähnst, die Streiks der Drehbuchschreiber aus den USA sind noch nicht sehr lange her. Wann wird es soweit sein, dass man Schauspieler*innen durch KI-Systeme ersetzen kann? Schon jetzt kann man einen alten Harrison Ford in einen jungen Harrison Ford verwandeln. 

Sven Bliedung von der Heide:Aber hast du den neuen Indiana Jones Film mal gesehen?

CCB Magazin:Nein. 

Sven Bliedung von der Heide:Das sieht nicht immer gut aus mit dem jungen Ford. Aber um deine Frage zu beantworten, ja, das große Konkurrenzprodukt für Schauspieler werden zukünftig KI-Schauspieler sein. Jetzt ist es so, dass bekannte Schauspieler wie Harrison Ford durch ihre Anwesenheit den Wert einer Filmproduktion steigern können. Gleichzeitig gibt es aber eine Tendenz zu einer zunehmenden Animation von Darstellern. Künftig werden sich Schauspieler darum bemühen müssen, digital erfasst zu werden. So behalten sie die Lizenzrechte für sich und verdienen auch daran, wenn sie als Avatar in Erscheinung treten, ohne unbedingt selbst beim Dreh dabei gewesen sein zu müssen. 

CCB Magazin:Aber ganz lassen sich die Schauspieler*innen ja dann doch nicht ersetzen. Nur ihre Form verändert sich gewissermaßen.

Sven Bliedung von der Heide:Naja, ich denke, das könnte sich schneller ändern, als wir denken. Schaut man sich zum Beispiel 4DPeople.com an, da gibt's schon einen ganzen Katalog voller fertiger 3D Statisten. Wenn man ins Kino geht und einen guten Actionfilm sehen will, dann ist es nicht so relevant, ob das nun ein echter oder ein KI-Darsteller ist. Menschen mit echten Biografien werden wie bei den Blockbuster-Filmen nicht entscheidend sein für den Erfolg einer Produktion. Disneyfilme funktionieren ja auch – ganz ohne Menschen. Das sind alles erfundene Figuren. Es wird sich zeigen, wie sich die Gesellschaft verändert und die Akzeptanz für KI-Figuren womöglich steigt. Insgesamt werden wir toleranter gegenüber digitalen Inhalten. 

CCB Magazin:Fest steht, dass keine Kreativbranche so sehr vom Wandel durch KI betroffen ist wie die Filmbranche. In welchen Bereichen werden KI-Tools bereits heute standardmäßig eingesetzt? Wo siehst du die größten Potentiale?  

Sven Bliedung von der Heide:Was viele nicht auf dem Schirm haben, ist, dass es das eine KI-Tool nicht gibt, welches diese oder jene Sache ersetzt. In Wirklichkeit ist es so, dass in der gesamten Produktionskette KI eingesetzt wird. Es werden jetzt schon viele Tools als Werkzeuge benutzt. Adobe hat beispielsweise unter dem Namen Firefly eine ganze Palette an KI-Tools bei sich eingebaut, wo man unter anderem Drehbücher automatisch in Storyboards überführen und auch 3D-Animationen von Szenen erstellen kann. Das ist alles noch im Beta-Stadium, noch kein Standard, bietet aber sehr großes Potential. 

Mit unserer Technologie ist es Schauspielern schon jetzt möglich, als Figur in einem Videospiel dabei zu sein und daran zu verdienen. Die Gaming-Branche ist um ein Vielfaches größer als die Film-Branche - das eröffnet ganz neue Möglichkeiten

CCB Magazin:Die Entwicklungen in Sachen KI überschlagen sich regelrecht. Ist es für ein Studio wie das eure überhaupt möglich, mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten?

Sven Bliedung von der Heide:Wir arbeiten mit vielen Forschungseinrichtungen wie dem Fraunhofer Institut, Stanford oder dem Max-Planck-Institut zusammen. Wir sind also immer am Puls der Entwicklung. Mit diesen Institutionen sind wir in regelmäßigem Austausch und haben dadurch Zugang zu Technologien, bevor die überhaupt auf den Markt kommen. Wir liefern ihnen Daten und sie zeigen uns ihre Grundlagenforschung, die sie damit betreiben. Eine Win-Win-Situation.

CCB Magazin:Eine vielleicht müßige Frage, aber ich muss sie stellen: Wie sieht es mit Jobs im Film-Business aus, welche Jobs fallen durch KI mitunter weg, welche neuen könnten entstehen?

Sven Bliedung von der Heide:Schwer zu sagen. KI-Systeme brauchen ständig neue Trainingsdatensätze, mit denen sie trainieren, das heißt, Schauspieler werden auch weiterhin benötigt, nur ändert sich vermutlich ihr Betätigungsfeld. Der Schauspieler hilft die KI zu verbessern. Viele werden sich umorientieren müssen, es wird aber auch neue Märkte geben. Mit unserer Technologie zum Beispiel ist es Schauspielern schon jetzt möglich, auch als Figur in einem Videospiel dabei zu sein und daran zu verdienen. Die Gaming-Branche ist um ein Vielfaches größer als die Film-Branche. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten. 

CCB Magazin:Wie hat sich Volucap durch die Verfügbarkeit von KI verändert? Wird es euch in fünf Jahren überhaupt noch geben? 

Sven Bliedung von der Heide:Ich glaube nicht, dass wir in fünf Jahren noch klassisch 3D-Animation machen werden. Wir haben ein Kamerasystem geschaffen, mit dem wir sehr hochauflösende Daten erzeugen können, die später für KI-Trainingsdaten genutzt werden können. Unser längerfristiges Ziel ist es, Trainingsdaten zu erzeugen, die die KI-Systeme immer weiter verbessern. Denn die Trainingsdatensätze, die KI-Systeme verbessern, erschöpfen sich langsam. Unser Geschäftsmodell wird sich dahingehend ändern, dass wir künftig ausschließlich Trainingsdaten liefern werden. 

CCB Magazin:Zum Schluss: Wie sieht der Film der Zukunft aus?

Sven Bliedung von der Heide:Mmh. Wenn ich mir Netflix in fünf Jahren vorstelle, dann geht man da auf die Website, wählt sein Genre und seine Schauspieler aus und dann entsteht der Film auf Abruf. Das wird komplett maßgeschneiderter Content sein. Da wird man keine Kamera mehr brauchen. 

CCB Magazin:Ich bin gespannt.

Rubrik: Innovation & Vision

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