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Prof. Dr. Harald Horn: "Wir stehen am Anfang einer neuen Entwicklung"

Prof. Dr. Harald Horn: "Wir stehen am Anfang einer neuen Entwicklung"
Foto: © Horn

Den Urin nicht in die Gewässer ableiten, sondern daraus Strom gewinnen - an dieser Methode, die sich PeePower TM nennt, forscht der Chemiker und Universitätsprofessor Harald Horn. In diesem Jahr stellt er das Verfahren auf dem Future of Festivals vor - wir sprachen mit ihm zuvor darüber, und was es Kulturschaffenden bringen kann. 
 

InterviewJens THOMAS

 

CCB Magazin:Herr Horn, der Protodeutsche geht aufs Klo und macht in der Regel das Licht an – Strom wird verbraucht, der Urin fließt dahin. Sie arbeiten an einem Verfahren, das sich PeePower TM nennt, um Urin rückzuverstromen. Können Sie uns das einmal erklären? 

Prof. Dr. Horn:Bei PeePower TM wird mithilfe von Bakterien aus gesammeltem Urin Wasserstoff hergestellt, der in elektrischen Strom umgewandelt werden kann. Das funktioniert über ein bioelektrochemisches System, das Wasserstoff aus Urin produziert. Kurzum: Sie pinkeln und es gibt am Ende Strom. Mit Urin funktioniert das deshalb so gut, weil Urin sehr salzhaltig ist und eine hohe elektrische Leitfähigkeit hat. Im Urin ist letztlich alles, was die Leber und Niere so loswerden wollen – Salze, aber auch Stickstoffverbindungen und ausreichende Mengen an organischem Kohlenstoff, und nur aus letzterem lässt sich Strom erzeugen. 

Bei PeePower TM wird mithilfe von Bakterien aus gesammeltem Urin Wasserstoff hergestellt, der in elektrischen Strom umgewandelt werden kann. Das funktioniert über ein bioelektrochemisches System, das Wasserstoff aus Urin produziert

CCB Magazin:Und wie funktioniert das ganz praktisch? 

Prof. Dr. Horn:Die Behandlung von Urin in solchen bioelektrochemischen Systemen wurde von Prof. Yannis Ieropoulos von der Universität Southampton entwickelt. Der organische Kohlenstoff des Urins wird von Bakterien an der Anode oxidiert und die entstehenden Elektronen werden zur Kathode abgeleitet. Auf dem Weg dorthin können sie als elektrische Energie genutzt werden. An der Kathode werden dann zwei Elektronen und zwei Protonen, die ebenfalls vom Prozess an der Anode kommen, mit Sauerstoff in Wasser umgewandelt. Das Ganze ist bei PeePower TM aus Southampton in vielen kleinen miteinander verschalteten Keramikzylinder untergebracht. Auch unser Reaktorkonzept basiert auf denselben Prozessen. Der Reaktor ist mit 100 Liter jedoch deutlich größer und kann bis zu 200 Liter Urin am Tag behandeln. Wir machen im Vergleich zu PeePower TM aus Southampton dann aber aus den beiden Elektronen und den beiden Protonen Wasserstoff, der anschließend in einer Brennstoffzelle verstromt wird.  
 
So funktioniert PeePower TM! 

 


CCB Magazin:Wo kommt das Verfahren bereits zum Einsatz? 

Prof. Dr. Horn:An einigen Stellen, so zum Beispiel beim alljährlich stattfindenden Glastonbury-Festival im Südwesten Englands. Hier wurden die Toiletten damit beleuchtet. Wir selbst haben PeePower TM in diesem Jahr erstmals auf der Bundesgartenschau (BuGa) erprobt. Dazu haben wir den 100-Liter-Reaktor auf Basis eines Scheibentauchkörpers eingesetzt, der als mikrobielle Elektrolysezelle fungiert. Der Reaktor ist tatsächlich ohne Störung durchgelaufen, das war ein wahrer Erfolg. Wir haben dazu eine herkömmliche Öko-Toilette als Anlage aufgebaut, die ohne Wasser funktioniert – die festen Fäkalien wurden mit einem Laufband abtransportiert, der Urin wurde gesondert aufgefangen. Das Verfahren kommt aber auch in Entwicklungsländern zum Einsatz, da hier die Stromversorgung oft nicht gewährleistet ist, so beispielsweise in Uganda. Hier wurden die Wege zu den Toiletten auf einer Mädchenschule beleuchtet. Zudem gab es Aktionen wie "Pee to play", worüber Games auf dem Gameboy zum Laufen gebracht werden konnten. 

CCB Magazin:Welches Problem wird denn über das Verfahren gelöst? Oder anders gefragt: Warum braucht es PeePower überhaupt? 

Prof. Dr. Horn:Wir überlegen doch schon seit Jahren, wie wir Müll vermeiden und Abfallströme zur Energiegewinnung nutzen können – PeePower TM ist ein Ansatz dazu. Denn jeder Mensch produziert pro Tag fast zwei Liter Urin. Wichtig ist nur, dass der Urin nicht verdünnt wird, weil er sonst seine Wirkkraft verliert. Darum können wir ihn auch nicht aus den kommunalen Abwassersystem rückgewinnen, hier ist er nämlich bereits verdünnt. Man könnte für die Rückverstromung auch andere Abfallstoffe nehmen, Bioabfall zum Beispiel. Urin eignet sich aus den oben genannten Gründen aber besonders gut. 

Oben: Die Toiletten auf der BuGa im Einsatz. Unten: Das Verfahren wird überwacht. Fotos © Horn. 

CCB Magazin:Sie sitzen in diesem Jahr auf einem Panel bei Future of Festivals und stellen das Verfahren vor. Wie können Festivalbetreiber das Verfahren nutzen? 

Prof. Dr. Horn:In Teilen nutzen sie es ja schon. Man kann darüber zum Beispiel die Beleuchtungsanlagen auf den Toiletten der Festivals oder Belüftungsanlangen betreiben, das ist dann aber auch schon das Ende der Fahnenstange, vielmehr geht nicht. Man muss sich auch überlegen, ob sich der Aufbau immer lohnt. Denn ein Festival geht manchmal nur ein oder zwei Tage. Man muss die Anlage auch erst einmal installieren und der Urin muss behandelt werden. Da für die Rückverstromung aus dem Urin nur der organische Kohlenstoff gebraucht wird, müssen Stickstoff und Phosphor zusätzlich zurückgewonnen werden. Das Verfahren ist aufwendig. Es gibt aber bereits sogenannte mobile Urin-Systeme, die den Urin komplett behandeln. Daraus könnte wiederum Dünger entstehen. 

CCB Magazin:Gibt es rechtliche Hürden? Oder könnte sich jeder, oder ich mir, in der Küche einfach eine solche Anlage einbauen?

Prof. Dr. Horn:Na versuchen Sie das mal, Sie brauchen ja den Reaktor. Möglich wäre das für größere Siedlungen. Und zur rechtlichen Frage: Wir dürfen den behandelten Urin nicht in Gewässer ableiten. Wenn wir ihn in die Kläranlagen leiten, gibt es keine Bedenken. Bei der Gewinnung von Dünger sieht das anders aus. Das ist in Deutschland nicht einfach so erlaubt und auch nicht vollumfänglich von potentiellen Nutzern akzeptiert, da in menschlichen Exkrementen immer auch Restbestände von Arzneimitteln zu finden sind. 

Ob das Verfahren in Zukunft vermehrt zum Einsatz kommt, müssen wir abwarten. Aber schon jetzt lassen sich darüber Beleuchtungsanlagen auf den Toiletten von Festivals oder Belüftungsanlangen betreiben

CCB Magazin:Wie ist denn die Resonanz bislang von den Festivalbetreibern und -besuchern? Glauben Sie, dass das Verfahren bald flächendeckend zum Einsatz kommt? 

Prof. Dr. Horn:Nein, das glaube ich nicht. Unser Verfahren wird gerade erst erprobt, wir müssen die Entwicklung abwarten. Wir sind auch noch nicht so weit, dass wir uns die PeePower-TM-Zellen der Kollegen aus England einfach von der Stange kaufen können. Die Methode wird dennoch sicher in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen. 

CCB Magazin:Apropos: Wie teuer ist das Verfahren? Und welches Personal oder Know-How braucht es dafür? 

Prof. Dr. Horn:Wie teuer es ist, hängt davon ab, in welcher Größenordnung es zum Einsatz kommt. Das Know-How dazu braucht es ganz sicher. Die Kollegen in England kalkulieren mit einigen Tausend Euro pro Toilette mit mehreren Urinalen. 

CCB Magazin:Und wie wirkt sich das Verfahren auf die Klimabilanz aus? Spürt man das am Ende überhaupt?

Prof. Dr. Horn:Das wird sich sicherlich bemerkbar machen, weil wir Strom sparen. Final werden wir das erst berechnen können, wenn das System einige Male im Einsatz war. 

CCB Magazin:Zu Ihnen als Person, welchen Background haben Sie? Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit solchen Methoden auseinanderzusetzen?

Prof. Dr. Horn:Ich komme ursprünglich aus der Umweltbewegung. Wir haben vor 35 Jahren gefordert, dass die kommunale Abwasserbehandlung auf naturnahe Verfahren umgestellt werden muss. Da bin ich heute nicht mehr ganz so sicher. Im Vergleich zu den heutigen Standardverfahren brauchen naturnahe Verfahren sehr viel Platz, der in urbanen dicht besiedelten Räumen kaum zur Verfügung steht. Als Chemieingenieur habe ich zudem lange im Bereich der Umweltanalytik gearbeitet. In den 1990er Jahren habe ich promoviert und bin Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal geworden. In der Zeit in Magdeburg habe ich habilitiert, und im Anschluss einen Ruf an der TU München bekommen. Seit 2012 leite ich die Wasserchemie und Wassertechnologie am Engler-Bunte-Institut des KIT (Karlsruher Institut für Technologie). 

CCB Magazin:Letzte Frage: Wo im Kulturbereich könnte das Verfahren sonst noch zum Einsatz kommen? 

Prof. Dr. Horn:Ich denke, hier könnten vor allem Museen oder ähnliche Gebäude mit vielen Besuchern eine Rolle spielen. Denn wir können die verschiedenen Stoffströme nur am Entstehungsort trennen. Wenn sie erst einmal in die Kläranlagen gelangt sind, ist es zu spät. Und je länger der Reaktor an einem Ort platziert ist, umso besser. Unser Umgang mit Abwasserströmen hat sich in den letzten hundert Jahren allerdings komplett hin zur zentralen Behandlung in einer großen Anlage entwickelt. Hier stehen wir erst am Anfang einer neuen Beforschung und Entwicklung von dezentralen Konzepten. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn wir die Abwasserbehandlung im nächsten Jahrzehnt weiterentwickeln könnten. 


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Rubrik: Wissen & Analyse

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