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Reden ist Silber, Bezahlen ist Gold

Reden ist Silber, Bezahlen ist Gold
Foto: © Thilo Beu / Save the World

Der ganze Kulturbetrieb will grün werden und alle reden über Nachhaltigkeit. Aber sprechen wir auch über gleiche Bezahlung von Mann und Frau? Viel zu wenig. Ein Plädoyer für nachhaltige Geschlechtergerechtigkeit in der Kultur.
 

Text Nicola Bramkamp 

 

Als die Staats- und Regierungschef*innen 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedeten, war der Jubel groß. Endlich Fortschritt. Endlich mehr Nachhaltigkeit. Da geht was. Die dort entwickelten 17 Ziele für Nachhaltigkeit wurden als ein brillanter Fahrplan für eine gerechtere Welt gefeiert. Ziel Nummer fünf lautet sogar: Geschlechtergerechtigkeit. Als künstlerische Leiterin der Art meets Science-Initiative „Save the World“ kämpfe ich seit 2014 für eine nachhaltige Transformation in der Kultur. Die Stärkung und Beteiligung von Frauen und Mädchen an der Gestaltung unserer Welt ist eine grundlegende Voraussetzung zur Beendigung von Armut, Ungleichheit und Gewalt und dringend notwendig für eine friedliche, gerechte und nachhaltige Welt. Sie hat zugleich eine Hebelwirkung auf das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung und ist nicht nur gerecht, sondern zugleich in ökonomischer und sozialer Hinsicht unverzichtbar.

Als ich mit 35 Jahren Schauspieldirektorin am Theater Bonn wurde, konnte ich das, was ich beim Einblick in die Gehaltslisten sah, kaum glauben: Frauen wurden an meiner neuen Wirkungsstätte grundsätzlich schlechter bezahlt als Männer. Der eklatante Gender Pay Gap betraf sowohl die Festangestellten als auch die freischaffenden Künstler*innen. Fast 1.000 Euro pro Monat weniger als ihr gleichaltriger Kollege verdiente eine 40-jährige Schauspielerin – obwohl sie die gleiche Arbeit leistete. Ich fing an mich umzuhören. Auch an anderen Theaterhäusern ergab sich ein ähnliches Bild. Als dann 2014 die Studie „Frauen in Kultur und Medien“ vom Deutschen Kulturrat erschien, ging ein Raunen durch die Kulturlandschaft; aus einem Gefühl wurde eine Zahl. Frauen verdienen demnach im Schauspiel 42 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Im europäischen Vergleich bilden wir im Kultursektor beim Gender Pension Gap das Schlusslicht. Das sind die Ergebnisse des Berichts „Gender Equality Policy in the Arts, Culture and Media“ von 2017. Wie kann es sein, dass es in Deutschland mit unserer gut geförderten kulturellen Infrastruktur so eklatante Ungerechtigkeiten bei der Gleichstellung der Geschlechter gibt? Die Gründe sind vielfältig. Obwohl an den künstlerischen Hochschulen etwas mehr als die Hälfte der Studierenden in Regie, Schauspiel, Gesang, Dramaturgie etc. Frauen sind, landen in den Führungsetagen lediglich 22 Prozent. Fällt denn den 78 Prozent männlichen Kollegen in Leitungspositionen nicht auf, dass hier etwas in Schieflage ist?

Als Schauspieldirektorin habe ich mich bemüht, den Gender Pay Gap weitestgehend abzuschaffen, allerdings mit der Konsequenz, dass ich eine Stelle weniger besetzen konnte. So ergeht es auch den Kolleg*innen in Mannheim, Oberhausen und Hannover, die dort ebenfalls annähernd gleiche Bezahlung einführten.

Ist die Theaterfolklore schuld? Verhindern Vorurteile, stereotype Geschlechterklischees, der sogenannte „unconscious bias“, eine Überwindung des Pay Gaps? Immer noch verdienen beispielsweise Bühnenbildner*innen erheblich mehr als Kostümbilder*innen. Woher kommt das? Ist die Szenographie in ihrer Tradition männlich, technisch und damit gesellschaftlich per se höher bewertet als die Beschäftigung mit Kostümen und Kleidern? Es gibt nicht eine einzige vernünftige Begründung für diese Gehaltsunwucht zwischen den Ausstattungssparten. Oder liegt es an dem gern zitierten Klischee, dass Frauen einfach schlechter verhandeln?

Seit 2018 ist #MeToo, also das Aufbegehren gegen strukturellen Machtmissbrauch in der Kulturbranche, ein großes Thema. In einem patriarchalen System, das auf Angst, Abhängigkeiten und prekären Arbeitsbeschäftigungen basiert, ist es schwer, sich individuell gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Viele Künstler*innen sind – gerade nach der Pandemie – überhaupt froh, arbeiten zu können. Da ist ein mutiges Aufbegehren gegen Ungleichheit oft ruf- und be-rufsschädigend. Dies haben die Studie „Macht und Struktur am Theater“ und die Machtmissbrauchsskandale der letzten Jahre eindrücklich gezeigt. So wie es ist, kann es nicht bleiben. Jetzt ist Handeln gefragt. Denn handeln ist wie wollen, nur krasser. 2018 gründete ich gemeinsam mit Lisa Jopt, der derzeitigen Präsidentin der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger und Gründerin des ensemble-netzwerks, die Konferenz „Burning Issues – Performing Arts & Equali-ty“. Gemeinsam mit vielen Initiativen wie Pro Quote Bühne, Diversity Arts Culture, dem ensemble-netzwerk, dem Deutschen Bühnenverein u.a. engagieren wir uns für eine gerechtere Theaterlandschaft. Im Mai 2022 werden wir erneut mit dem renommierten Berliner Theatertreffen kooperieren. Yvonne Büdenhölzer, die Leiterin des Festivals, hat mit der Einführung der Quote ein wichtiges Zeichen für mehr Gerechtigkeit in den Darstellenden Künsten gesetzt.

Die Analysephase ist nun also vorbei, die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt liegt es an uns, eine nachhaltige Gesellschaft zu gestalten, die sozial, ökologisch und ökonomisch gerecht funktioniert. Kultur schafft den Rahmen, in dem sich zukunftsfähiges Handeln entwickeln kann. Denn das Hinterfragen und Aufbrechen alter Denkmuster ist unser Kerngeschäft. Wenn wir das, was wir auf der Bühne predigen, auch hinter den Kulissen umsetzen, kommen wir dieser Utopie einen großen Schritt näher.


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Rubrik: Wissen & Analyse

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