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Michael Gebert: „Der Schwarm ist ein guter Gradmesser“

Schwerpunkt Crowddialog 2016

Michael Gebert: „Der Schwarm ist ein guter Gradmesser“
Foto: © Crowddialog

Im Gespräch mit Creative City Berlin: Dr. Michael Gebert

Ab heute findet der Crowddialog in München statt, der jährliche Branchentreff mit Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Praxis. Schwerpunkt ist in diesem Jahr der Mittelstand. Im Zentrum stehen Zukunft und Gegenwart von Crowdfunding aber auch faire und gerechte Beschäftigungsmodelle im Bereich Crowdsourcing. Wir sprachen mit Veranstalter Dr. Michael Gebert über Sinn, Ziel und Zweck der Veranstaltung und die Zukunft der Schwarmfinanzierung.
 

Interview Jens Thomas

 

CCB Magazin: Hallo Michael, du organisierst in diesem Jahr den Crowddialog in München, der am 1. Dezember stattfindet. Im Fokus steht „Crowdfunding für den Mittelstand“. Wie hilfreich ist Crowdfunding für den Mittelstand?

Michael Gebert:Der Mittelstand in Deutschland ist traditionell das Rückgrat für Innovation und Fortschritt. Besonders visionäre Projekte mit hohem Zukunftspotenzial benötigen meistens auch flexible Finanzierungsmodelle. Oft sind in solchen Fällen traditionelle Risiko-Bewertungsmodelle für die Finanzierungsentscheidung aber nur bedingt hilfreich. Crowdfunding kann und muss neben einer Investmentalternative auch Ideen und Innovationen validieren und feinschleifen. Ziel ist es, dem klassischen Mittelstand mit und über die Crowd zu einem erstarkten Innovationspool an Ideen und Projekten zu begleiten.

CCB Magazin:Was soll der Crowddialog da konkret bewirken?

Michael Gebert:Der Name ist Programm: Es geht uns um einen Dialog. Die Branche ist ja noch recht klein, und gerade im Mittelstand ist Crowdfunding und Crowdsourcing überhaupt noch nicht bekannt. Der Crowdialog will genau hier eine Querschnittsfunktion bilden. Es geht uns um einen Liveaustausch zwischen Politik, Wirtschaft und Leuten aus der Praxis, um die Reflexion des Jahres sozusagen.
 

Die Reflexion des Jahres: Der Crowddialog 2016. © Crowddialog 


CCB Magazin:Der Crowddialog will in diesem Jahr gezielt auch neue Beschäftigungsmodelle und zukünftige Formen der Zusammenarbeit kritisch diskutieren. Ein Panel beschäftigt sich mit fairen Arbeitsbedingungen im Bereich Crowdsourcing. Vorgestellt wird unter anderem der neue „Code of Conduct 2.0“. Um was geht es da?

Michael Gebert:Die Entwicklung eines Code of Conduct 2.0 gewährleistet faire Arbeitsbedingungen und transparente wie faire Abrechnungs- und Bezahlsysteme. Das heißt: Er ist ein neues Regelwerk für bezahltes Crowdsourcing beziehungsweise Crowdworking. Es geht also nicht um Crowdfunding, worüber Geld über den Schwarm eingesammelt wird, sondern um faire Modelle der Arbeit. Der Code of Conduct wurde gemeinsam mit dem Deutschen Crowdsourcing Verband und den Unternehmen Testbirds, Streetspotr und Clickworker entwickelt. Er ist ein 10-Punkte-Plan. 

Wir wollen über einen Code of Conduct 2.0 faire Arbeitsbedingungen und transparente wie faire Abrechnungs- und Bezahlsysteme gewährleisten 

CCB Magazin:Und die da wären?

Michael Gebert:Alle Unterzeichner verpflichten sich, ausschließlich seriöse Aufgaben anzubieten. Auch geht es um die Aufklärung der Gesetzeslage. Denn bezahltes Crowdworking unterliegt in Deutschland den gleichen gesetzlichen Regelungen wie eine freiberufliche Tätigkeit oder selbstständiges Unternehmertum. Es stellt daher kein dauerhaftes, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dar. Das heißt aber auch: Es muss eine faire Bezahlung geben. Die Mitglieder des Code of Conduct zahlen den Crowdworkern darum ein dem Wert der Arbeit faires und angemessenes Honorar. Dabei gilt es natürlich vorab klar und deutlich zu kommunizieren, wie viel Geld bei zufriedenstellender Erledigung des Auftrags verdient werden kann. Hinzu kommen Punkte wie klare Aufgabendefinitionen und angemessene Zeitplanung für Crowdworker, dass die Arbeit auf freiwilligerer Basis basiert und es zudem eine offene und transparente Kommunikation gibt.

CCB Magazin:Und das funktioniert in der Realität?

Michael Gebert:Das ist zumindest das Ziel. Und die, die den Code of Conduct unterzeichnen, verpflichten sich, die niedergeschriebenen Grundsätze zu achten und sie auch innerhalb ihres Unternehmens und im Umgang mit Dritten zu fördern. Beispiel Testbirds: Das ist ein Unternehmen, die den Code of Conduct bereits mitunterschrieben haben. Testbirds macht beispielsweise ein Angebot und sagt, wir müssen aktuell diese oder jene App von Mediamarkt testen, dafür es gibt es folgende Anforderung – die Usability der App, die Farbgebung oder Funktionalität. Dann sagt Testbirds, gebt uns bitte Feedback, wir geben dafür an Arbeitskraft 25 Stunden frei. Findet sich dann ein deutscher Mitarbeiter für das Projekt, also ein Crowdworker, bekommt der Crowdworker den Mindestlohn. Mindestens! Wenn nicht sogar mehr.

© Crowddialog 
 

CCB Magazin:Der Code of Conduct bezieht sich konkret nur auf Arbeit im Bereich Crowdsourcing. Lässt sich ein solcher Code of Conduct auch auf die Bereiche Crowdfunding oder Crowdinvesting übertragen?

Michael Gebert:Nein, überhaupt nicht. Natürlich könnten sich die Crowdfunding-Plattformen dazu verpflichten, ihre Mitarbeiter angepasst an den Code of Conduct zu bezahlen. Der Bereich Crowdinvesting ist aber bereits über das Kleinanlegerschutzgesetz reglementiert. Und im Bereich reward-based Crowdfunding gibt es bislang nur einen Code of Conduct für die Offenlegung von Crowdfunding-Geschichten. Hier geht es um Durchlässigkeit und Transparenz von Crowdfunding-Kampagnen. Ein solcher Code of Conduct existiert zum Beispiel schon in Estland. Dort haben die Plattformen zusammen mit dem Finanzministerium einen Code of Conduct selbstregulativ geschaffen. Dafür gibt es aber keine Gesetzeslage. 

Crowdfunding ist sowohl ein Mittel der Mitgestaltung als eine Zunahme von Verantwortung

CCB Magazin:Viele interpretieren Crowdfunding und Crowdsourcing nicht nur als neuen Möglichkeitsraum zur Finanzierung von Ideen und Geschäftsmodellen, sondern auch als Auslagerung und Zunahme von Verantwortung. Crowdsouring kommt beispielsweise von Outsourcing, von Auslagern, also auch vom Abbau von Schranken und Sicherheiten. Wie gehen Gewerkschaften mit diesem Thema um?

Michael Gebert:Das ist spannend, weil da gerade etwas passiert. So hat die IG Metal zum Beispiel erkannt, dass sie sich im Bereich Crowdsourcing erweiterte Betätigungsfelder suchen muss. Weil sie ganz klar wissen, dass die Flexibilisierung andere Arbeitsmodelle hervorbringt und auch erfordert. Das findet aber jenseits des Angestelltenverhältnisses und vom Beamtenstatus statt. Das heißt, dass die IG Metal schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb ein Interesse daran hat, möglichst frühzeitig bei einem solchen Code of Conduct mitzuwirken. So ist sie auch bei den derzeitigen Verhandlungen mit dabei. Bei der IG Metal gibt es sogar acht Festangestellte, die sich mit Crowdsourcing beschäftigen. So viele Angestellte hat in Deutschland keine Plattform!

CCB Magazin:Wie beurteilst du selbst diese Entwicklung? Sind Schwarmfinanzierung und Crowdworking ein Mittel der Mitgestaltung oder eine Zunahme von Verantwortung?

Michael Gebert:Es ist beides. Auf der einen Seite kann gemeinsames Arbeiten im Schwarm enorme zusätzliche Leistungs- und Wissens-Potenziale erzeugen. Der Schwarm ist ein ziemlich guter Gradmesser für zukünftige Entwicklungen, auch für demokratische. Und Gradmesser moderner demokratischer Instrumente sind geprägt von emanzipierten Gruppen und erfordern immer intensiver die Auseinandersetzung mit einer zumindest theoretisch immer präsenten schwarmbasierten Entscheidungsfindung. Auf der anderen Seite misst sich Crowdfunding oder Crowdsourcing aber im Kontext einer neuen Interpretation von Arbeit an unseren bestehenden sozialen und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. Und da sehe ich, dass es europaweit einen enormen Druck gibt. Das erhöht natürlich die Verantwortung für die Einzelnen in hohem Maße, und es wird auch künftig die Verantwortung der Individuen weiter erhöhen.

Die Zukunft von Crowdfunding sehe ich vor allem im Bereich Public Partnerschaft

CCB Magazin:Wenn du in die Zukunft blickst. Wie werden sich die Bereiche Crowdfunding und Crowdinvesting weiterentwickeln?

Michael Gebert: Die Bereiche Crowdfunding und Crowdinvesting sind super interessant, um Projekte und Ideen zu verifizieren. Und verifizieren bedeutet, einmal in der Machbarkeit den Schwarm frühzeitig einzubeziehen. Ich sehe die Zukunft von Crowdfunding ehrlich gesagt vor allem im Bereich von Public Partnerschaft, wo die Crowd etwa 100.000 oder 200.000 Euro zur Verfügung stellt, darauf folgt womöglich eine noch größere Kooperation, die nochmals 200.000 Euro hergibt. Zusätzlich gibt es vielleicht noch ein Bankderivat, über das zusätzlich 200.000 Euro bereitgestellt werden. Der Schwarm hat einfach eine höhere Empathiestufe, zumindest mehr als der Bankberater. Und das sollte man nutzen.

CCB Magazin:Michael, danke für das Gespräch. Viel Spaß und Erfolg bei der Veranstaltung.

Michael Gebert:Ich danke dir.


Alle Infos zum Crowddialog unter: http://www.crowddialog.de/

Rubrik: Specials

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